Asyl: Jetzt geht es um die Österreich-Route

Innenminister Horst Seehofer wollte seinen „Masterplan Migration“ vorstellen. Kanzlerin Angela Merkel kam ihm in die Quere.
Innenminister Horst Seehofer wollte seinen „Masterplan Migration“ vorstellen. Kanzlerin Angela Merkel kam ihm in die Quere. (c) APA/AFP/TOBIAS SCHWARZ
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Der Streit zwischen Merkel und Seehofer eskaliert. Die CSU will Menschen an der Grenze abweisen, die CDU widerspricht. Und mittendrin in Berlin: Sebastian Kurz.

Berlin. Angela Merkel will keinen Streit mehr. Zumindest keinen öffentlichen – und zumindest nicht mit Sebastian Kurz. Als die deutsche Bundeskanzlerin ihren österreichischen Amtskollegen also am Dienstagabend im Bundeskanzleramt empfängt, konzentriert sie sich auf Gemeinsamkeiten. Beim drängendsten Thema, den Flüchtlingen, gibt es davon nicht allzu viele. Also wiederholt Merkel nach dem Gespräch vor allem einen Punkt: Man müsse den EU-Außengrenzschutz verbessern, um die Krise in den Griff zu bekommen. Mahnender Nachsatz: „Aber diese Veränderung muss gemeinsam stattfinden.“

Möglich, dass dieser Satz indirekt auch Kurz gilt. Vor allem aber ist er an eine andere Stelle gerichtet, an ihre eigene Regierung, an ihre Union: Seit vergangenen Woche fordert die CSU, Flüchtlinge direkt an der Grenze abzuweisen, wenn sie zuvor ein anderes EU-Land betreten hatten. Das würde großteils Menschen betreffen, die über Österreich einreisen wollen.

Die Details wollte CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer eigentlich gestern, Dienstag, bei der Präsentation seines „Masterplans Migration“ vorlegen. Das Timing für den geplanten Termin war beachtlich: Er fiel ausgerechnet auf den Tag, an dem Merkel Kurz empfangen sollte. Gut möglich, dass Seehofer im Vorfeld die Gesprächsthemen der beiden Regierungschefs beeinflussen wollte. Vor allem, weil die ÖVP in migrationspolitischen Fragen grundsätzlich der CSU näher als der CDU ist.

Kurz nun im Zweifel bei CDU

An diesem Abend hält sich der Kanzler allerdings zurück. Und ist im Zweifel auf Merkels Seite. „Ich mische mich in dieser innerdeutschen Debatte nicht ein“, sagt er im Bundeskanzleramt. „Es war immer unser Ziel, den Zustrom illegaler Migration nach Europa zu stoppen.“ Menschen dürften nicht mehr quer durch Europa ziehen, um ein bestimmtes Land ihrer Wahl zu erreichen. Auch er kommt aber zum Schluss: Die Lösung dafür sei „ein starker EU-Außengrenzschutz“.

Merkel hat Kurz zwar an diesem Abend auf der Seite, doch der Richtungsstreit innerhalb der Union ist längst eskaliert. Die CDU-Chefin bleibt stur, Seehofer sowieso: Die Präsentation seines „Masterplans“ musste abgesagt werden.

Während Merkel weiterhin eine europäische Lösung statt nationaler Alleingänge fordert, ist die CSU „wild entschlossen, das Thema durchzukämpfen“, heißt es aus der Partei. An eine baldige Kooperation auf EU-Ebene glaubt man dort nicht. Auch in der CDU ist man vereinzelt dieser Meinung.

Merkel hingegen könnte – neben den Machtverhältnissen in den eigenen Reihen – die juristischen Folgen der CSU-Pläne fürchten. Derzeit wird nur jenen Menschen die Einreise verweigert, die keine gültigen Papiere haben und nicht um Asyl ansuchen.

Rund 64.000 Dublin-Fälle

Geht es nach der CSU, soll dies aber auch für Flüchtlinge gelten, die nachweislich schon in einem anderen EU-Land registriert wurden. Bisher gab es in diesen Fällen ein langwieriges Dublin-Verfahren, um die Zuständigkeiten zu klären. 64.000 solcher Fälle gab es im vergangenen Jahr. Allerdings verließen gerade einmal 7100 Menschen das Land.

Um das zu ändern, will die CSU direkt an der Grenze Fingerabdrücke von Flüchtlingen abnehmen – und überprüfen, ob sie bereits in einer Datenbank eingetragen wurden. Technisch wäre das möglich, allerdings bleiben einige praktische Fragen offen: Ist Österreich in Zukunft für diese Menschen zuständig – oder jene Staaten, die die Betroffenen zuvor betreten haben? Wer ist für die Rückführung zuständig – und was, wenn sich Länder weigern, zu kooperieren?

Antworten darauf gibt es noch nicht, auch nicht von Seehofer. Merkel will daher auch eine internationale Kettenreaktion vermeiden. Macht Berlin mit den Plänen ernst, könnte auch Wien folgen. Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) hat in der „Presse am Sonntag“ bereits die CSU gelobt: Ihre Pläne seien „vollkommen richtig“. Auch Österreich müsse „konsequenterweise so handeln“.

Absage für Integrationsgipfel

Heute, Mittwoch, findet übrigens auch der Integrationsgipfel des Bundeskanzleramts statt. Allerdings ohne Seehofer – obwohl er für einen Vortrag über „Werte und Zusammenhalt in der Einwanderungsgesellschaft“ vorgesehen war. Der Minister lasse sich vertreten, hieß es am Dienstag aus seinem Büro zur ARD. „Der Termin steht nicht in seinem Kalender.“ Was ist dort dann notiert? Er empfängt einen Staatsgast. Es ist ein gewisser Sebastian Kurz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2018)

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