Interview

EU-Abgeordneter Mandl: „Es gibt keine besondere Nähe zu Ungarn“

Die Presse
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Der EU-Abgeordnete Lukas Mandl (ÖVP) spricht im Interview über das Verhältnis zwischen Ost und West, Süd und Nord, zwischen Österreich und Ungarn - und über die Regierungsbeteiligung der FPÖ.

Julia Pabst: Bald ist es so weit – Österreich übernimmt den EU-Ratsvorsitz unter dem Motto „Ein Europa, das schützt“. Asylpolitik und Grenzschutz – das sind auch Kernthemen der türkis-blauen Koalition. Wie viel rot-weiß-rote Handschrift werden die Ministerratsentscheidungen unter dem österreichischen Vorsitz tragen?

Lukas Mandl: Das Vorsitzland kann mitbestimmen, welche Themen auf der Tagesordnung landen. Insofern sollten die Ergebnisse auf Impulse aus Österreich zurückgehen und eine gemeinsame, europäische Handschrift tragen. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten von der Europäischen Union vor allem ein Sicherheitsdach. Die Reformansätze von Emmanuel Macron und Mark Rutte nehmen das Thema Sicherheit sehr ernst. Unser Bundeskanzler Sebastian Kurz ist Teil dieser Reformachse. Daher ist der Schwerpunkt Sicherheit sehr wichtig und auf jeden Fall einer, in dem Fortschritte erzielt werden können.

Derzeit ziehen sich zwei Gräben durch Europa: Vom Norden in den Süden und vom Westen in den Osten. Österreich wurde in der Vergangenheit oft als Brückenbauer gehandelt. Wie wichtig wird diese Funktion während der Ratspräsidentschaft sein?

Mandl: Österreich gehört klar zum politischen Westen. In der West-Ost-Dimension spaltet vor allem die Migrationsthematik – in Nord-Süd die wirtschaftliche Situation. Aber Europa kann nur funktionieren, wenn wir das Gemeinsame suchen und jede Spaltung verhindern. Zusammenzuführen ist eine Aufgabe, die ein Brückenbauer gut wahrnehmen kann. Diese Funktion Österreichs wird sehr wichtig – in der Ratspräsidentschaft und auch danach.

Die Differenzen zwischen dem Osten und dem Westen zu überbrücken, wird nicht einfach werden. Immerhin lässt sich Viktor Orban durch Mahnrufe aus Brüssel kaum einschüchtern. Welche Maßnahmen kann die EU dennoch treffen?

Mandl: Im Endeffekt müssen Entscheidungen im Europäischen Rat einstimmig getroffen werden – da hat Ungarn auch ein Stimmrecht. Die konstruktiven Kräfte Europas müssen mit der Reform der Europäischen Union erfolgreich sein. Es gibt keine Alternative. Im Interesse der Zukunft Europas sind wir quasi zum Erfolg verdammt. Da gilt es mit Geduld, Intensität und guten Argumenten – selbstverständlich auch mit Ungarn – aber auch mit allen anderen Mitgliedsstaaten zu reden und so zu Fortschritten zu kommen.

Wenn reden alleine nicht ausreicht, stehen Sanktionen im Raum. Wie kann die EU hier vorgehen, wenn sich der Konflikt mit den Visegrád-Staaten weiter verschärft?

Mandl: Die Europäische Union ist handlungsfähig, wenn Grenzen überschritten werden. Gegen Polen wurde ja schon ein Artikel-7-Verfahren eröffnet. Das würde jeden anderen Mitgliedsstaat genauso treffen. Und was die einzelnen Entscheidungen betrifft, muss man jede Frage für sich klären. Das gilt für Ungarn sowie für alle anderen Mitgliedsstaaten – Schritt für Schritt.

Österreichs Nähe zu Ungarn wird kritisch gesehen: Stichwort Orbanisierung.

Mandl: Ich will das noch einmal festhalten: Es gibt keine besondere Nähe zu Ungarn. Österreich ist nicht Mitglied der Visegrád-Gruppe. Es stimmt einfach nicht, was da behauptet wird. Sebastian Kurz hat sich immer im Reformprozess positioniert und gestaltet diesen jetzt mit Emanuel Macron, Mark Rutte und anderen sehr aktiv mit. Während der Ratspräsidentschaft kann er diese Gestaltungsrolle besonders stark ausüben.

Ausländische Medien bezeichnen die türkis-blaue Koalition dennoch als rechtspopulistisch. Wie wird die Regierung Österreichs im EU-Parlament gesehen?

Mandl: Vor kurzem hat eine sozialdemokratische Mitdiskutantin in einer Fernsehdiskussion bestätigt, dass es diese Aufregung von 2000 jetzt nicht gibt. Ich teile diese Ansicht, denn ich spüre unglaublich viel positiven Rückenwind für den rot-weiß-roten Beitrag in Europa. Den Kommissionspräsidenten freut es, dass Österreich eine pro-europäische Linie fährt – eine viel aktivere als in der Vergangenheit.

Eine pro-europäische Linie – im Koalitionspakt ist das festgeschrieben. Trotzdem stellt Heinz-Christian Strache die Personenfreizügigkeit öffentlich in Frage. Kann es sich Österreich leisten, dass sein Vize-Kanzler kurz vor der Übernahme der Ratspräsidentschaft eine der Grundsäulen der EU ansägt?

Mandl: Der Bundeskanzler hat ja darauf reagiert…

Beschwichtigend, ja…

Mandl: Er hat das klargestellt. Der Vizekanzler selbst hat das auch klargestellt. Die Personenfreizügigkeit ist eine der Grundfreiheiten der Europäischen Union und steht überhaupt nicht in Frage. Martina Salomon [Journalistin des "Kurier", Anm.] hat als objektive und gut informierte Journalistin aufgezeigt, dass die Personenfreizügigkeit auch schon von ganz anderen Seiten in Österreich angezweifelt wurde. Der Vizekanzler hat es korrigiert und damit muss man das zur Kenntnis nehmen.

Die FPÖ möchte sich seit der Nationalratswahl als pro-europäisch profilieren. Gleichzeitig stärkt Vizekanzler Strache im EU-Parlament die Zusammenarbeit mit der europakritischen und rechtsextremen Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit. Wie soll eine pro-europäische nationale Politik funktionieren, wenn die FPÖ im EU-Parlament diese Fraktion unterstützt?

Mandl: Ich halte das Verhalten der FPÖ auf der Bundesebene für das Beste, was ich bisher von dieser Partei erlebt habe. Und ich kenne diese Partei schon lange von der Gemeinde- bis zur Europaebene. Auf Europaebene, wo die Partei der ENF angehört, gibt es ja keine Koalition – es gibt überhaupt keine Koalitionen im Europaparlament. Ich möchte Kräfte, deren Inhalte ich nicht antreiben will, nicht aufwerten, indem ich das extra kommentiere. Wichtig ist mir unsere Bundesregierung, die gerade einen unglaublich wertvollen Beitrag zu Europa leistet.

Also halten Sie diesen schwankend pro-europäischen Kurs der FPÖ für glaubwürdig?

Mandl: In der österreichischen Bundesregierung zeigt die Regierungswirklichkeit seit bald einem halben Jahr, dass der pro-europäische Kurs durch nichts beeinträchtigt ist. Auch unsere europäischen Partner sehen das so – vom Kommissionspräsidenten abwärts.

Kommen wir zu Ihrem persönlichen politischen Werdegang. Sie sind 2017 für Elisabeth Köstinger ins EU-Parlament nachgerückt. 2019 stehen die nächsten EU-Wahlen an. In Journalistenkreisen wird diskutiert, dass die ÖVP-EU-Liste in Zukunft von einem Kurz-nahen Mandatar angeführt werden könnte – wo steht Ihr Name auf dieser Liste?

Mandl: Die Gerüchte über mich stimmen nicht. Meine Rolle ist es jetzt, so zu arbeiten, dass ich dann vor die Wählerinnen und Wähler treten kann. Mein Ziel ist es, viele Vorzugsstimmen zu sammeln und so wiedergewählt zu werden.

Also rechnen Sie nicht mit einem vorderen Listenplatz, der ein Garant für einen Wiedereinzug wäre?

Mandl: Ich rechne damit, dass es wieder um Vorzugsstimmen geht, wie das in der Vergangenheit bei vielen Wahlen der Fall war. Unter der Führung von Sebastian Kurz war das im Vorjahr zum ersten Mal auch bundesweit so. Bei Vorzugsstimmen gibt es gar keine garantierten Listenplätze. Darum möchte ich möglichst viel Vertrauen durch Vorzugsstimmen der Wählerinnen und Wähler bekommen.

Zum Schluss noch zu einem umweltpolitischen Thema, das die EU momentan sehr beschäftigt. In den Meeren treibt so viel Plastikmüll wie noch nie zuvor. Die EU-Kommission möchte darauf mit einem Verbot von Plastikbechern, Wattestäbchen und Co. reagieren. Sind solche Maßnahmen Ihrer Ansicht nach gerechtfertigt?

Mandl: Wenn es so weitergeht wie bisher, wird im Jahr 2050 das Gesamtgewicht des Plastiks im Meer das Gesamtgewicht der Fischschwärme übersteigen. Wir müssen dem Einhalt gebieten. Mein Weg ist immer der, dass Steuern und Verbote die schärfsten Mittel sind und nur in kleinen Dosen angewendet werden dürfen. Sie würden in Europa Wettbewerbsnachteile erzeugen und global wenig bringen. Besser wäre es, moderne Verfahren zu entwickeln, mit denen die Haltbarkeit von Produkten erhöht und Plastik besser recycelbar wird. Das wäre weltweit wirksam und nicht nur in der EU. Immerhin kommt der überwiegende Teil des Plastikmülls nicht aus Europa.

Dieses Interview entstand im Rahmen einer Akademie für Jungjournalisten beim Medien.Mittelpunkt im Ausseerland.

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