Grundsatzrede: Van der Bellen mahnt zum Kampf für die Freiheit

Bundespräsident Alexander Van der Bellen warnte am Montag in einer Grundsatzrede zu Europa vor einer Unterwanderung der individuellen Freiheit.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen warnte am Montag in einer Grundsatzrede zu Europa vor einer Unterwanderung der individuellen Freiheit.(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Kurz vor Auftakt der EU-Präsidentschaft warnte der Bundespräsident in einer Grundsatzrede zu Europa vor nationalistischen Perspektiven und der Unterwanderung der Meinungsfreiheit durch neue Medien.

Wien. „Europa hat die Freiheit geprägt. Und diese Freiheit ist bedroht.“ Bundespräsident Alexander Van der Bellen warnte am Montag in einer Grundsatzrede zu Europa vor einer Unterwanderung der individuellen Freiheit und nannte zum einen den Wunsch nach einer starker Führungshand und zum anderen die neuen Medien als Gefahren. Es sei „bequem“, eine Führung zu wollen, die alles in die Hand nehme, aber die Freiheit verlange Verantwortung jedes einzelnen.

Van der Bellen wies im Haus der Europäischen Union ausdrücklich daraufhin, dass er sich vor Beginn des österreichischen EU-Vorsitzes nicht in Einzelthemen wie Gemeinschaftsbudget oder Brexit einmischen, sondern auf grundsätzliches hinweisen möchte: auf die Freiheit, für die Europa stehe. Um sie zu bewahren, müssten sich die Menschen ihre Meinung auf Basis sachlicher, differenzierter Informationen bilden. Das seie aber durch neue Medien – wie Facebook und Co. – bedroht. Hier würden Algorithmen darüber entscheiden, „wann und was ich lese“. Sie förderten Zugriffe und Verweildauer, aber ihr Mehrwert für die Gesellschaft sei zweifelhaft. Deshalb müssten „digitale Grundrechte“ geschaffen werden. Diese könnten aber nicht auf Basis von Einzelstaaten garantiert werden, sondern nur in Staatengemeinschaften wie der Europäischen Union.

„Gegen Zwergstaaterei“

Europa könne nur gemeinsam so wichtige Probleme, die es auch beim Umwelt- oder Klimaschutz gebe, lösen. Deshalb verurteilte Van der Bellen die stärker werdenden nationalistischen Strömungen in mehreren EU-Mitgliedstaaten. Er warnte ausdrücklich vor dem „Schwarz-Weiß-Denken der Nationalisten.“ Sie behaupten, die EU sei obsolet. Aber ihr Gegenmodell, die „Zwergstaaterei“, sei nicht realistisch. Diese Staaten wären dann nämlich tatsächlich „allein“ und Spielball weit mächtiger Staaten.

Nationalisten, so Van der Bellen, sollten aufhören, darauf zu beharren, „dass nur sie im alleinigen Besitz der Wahrheit sind“. Sie sollten beginnen, die Welt so zu akzeptieren wie sie ist – mit allen ihren Brüchen und Ungereimtheiten. Dabei nannte er auch die Demokratie, die auf europäischer Ebene sehr langsam funktioniere. „Der europäische Weg ist vielleicht langsamer, aber der richtige.“

Er habe einst davor gewarnt, dass die EU sehr rasch zerfallen könne. Bei der Freiheit sei die Gefahr anderes: „Sie ist durch eine Salamitaktik bedroht.“ Scheibchenweise werde sie reduziert, so dass es kaum auffalle.

Van der Bellen appellierte dafür, dass Europa der Vorreiter im Kampf für die Freiheit bleiben müsse. Denn es habe hier auch Verantwortung für andere. „Wir müssen jenen helfen, die nicht so privilegiert sind wie wir.“ Ohne die Migrationsdebatte explizit zu erwähnen, forderte der Bundespräsident auch mehr Hilfsbereitschaft der EU-Staaten. „Es ist keine Schwäche, Herz zu zeigen.“ Zur europäischen Verantwortung gehöre auch, dass dieser Kontinent nicht andere in Not und bei Problemen allein lasse. (wb)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2018)

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