Achse Wien–München via Linz Hauptbahnhof

Gemeinsame Sitzung der österreichischen Bundesregierung und der bayrischen Staatsregierung in Linz: Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Ministerpräsident Markus Söder (CSU).
Gemeinsame Sitzung der österreichischen Bundesregierung und der bayrischen Staatsregierung in Linz: Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Ministerpräsident Markus Söder (CSU). REUTERS
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Ausgerechnet jetzt, in der großen Beziehungskrise von CDU und CSU, trifft sich die Kurz-Regierung mit der bayrischen Staatsregierung. Das war zwar so nicht geplant, trifft sich nun aber auch nicht so schlecht.

Linz. Nein, man wolle sich in innerdeutsche Angelegenheiten natürlich nicht einmischen, sagt Bundeskanzler Sebastian Kurz. Das Ganze wird dann eher über die Bande gespielt. Kurz steht vor dem Eingang der oberösterreichischen Landesregierung in Linz, vor ihm ein großer Pulk von Journalisten, darunter sehr viele deutsche. Er habe das schon 2015 gesagt, holt der österreichische Kanzler aus, „das Weiterwinken nach Mitteleuropa muss ein Ende haben“. Politiker wie er und seine Freunde von der CSU würden nun dafür gescholten, dass sie die Grenzen hochziehen wollen. Dabei würden sie genau das nicht wollen.

„Wir wollen ein Europa der offenen Grenzen“, sagt Kurz. Dass es nun Grenzkontrollen zwischen Österreich und Bayern gebe, hätten jene zu verantworten, die zuvor die EU-Außengrenzen nicht wirkungsvoll schützen wollten. Genau das sei aber unabdingbar. „Wir entscheiden, wer nach Europa kommt, nicht die Schlepper. So einfach ist die Welt.“
Kurz sagt das in diesem Setting schon zum zweiten Mal. Das erste Mal stand ein stolzer Gastgeber, Oberösterreichs Landeshauptmann, Thomas Stelzer, neben ihm, nun ist es ein sonnig lächelnder bayrischer Ministerpräsident. „Wir haben eine gemeinsame Haltung im Geiste“, sagt Markus Söder. Beim Thema Migration strebe man gemeinsam eine Wende in Europa an. Ein Thema, bei dem man, Sebastian Kurz und die CSU, immer dieselbe Meinung gehabt habe. „Ich danke dir für deinen Mut und dass du hier für neue Bewegung sorgst“, wendet sich Söder dann auch noch an Kurz persönlich.

Die erste gemeinsame Regierungssitzung der Österreicher und Bayern, die am Mittwoch in Linz stattfand, war zwar schon länger geplant. Der Zeitpunkt aber, mitten in der großen Beziehungskrise zwischen CDU und CSU, die sich rund um die Migrationspolitik entspann, ist nun durchaus brisant. Man wird das Signal auch in Berlin gehört haben.

So einfach ist die Welt. So einfach ist die Politik. Die Südostachse Wien–München – aus Berliner Sicht – hält. Darauf wird man an diesem Tag noch mehrfach mit Nachdruck hinweisen. Das wird Angela Merkel zwar weder überraschen noch beunruhigter machen, als sie es möglicherweise ohnehin schon ist, aber die Bilder und die Statements werden ihre Runden machen und ihre Auswirkung auf die öffentliche Meinung haben. Denn Sebastian Kurz ist schließlich selbst in Deutschland mittlerweile nicht mehr irgendwer – und die CSU in Österreich natürlich auch nicht. Ein Win-win-Situation für beide. Wenn die eigene Botschaft von außen verstärkt wird.

CSU will gegen Merkel hart bleiben

Und die CSU ist fest entschlossen, den Konflikt mit Angela Merkel auszufechten. Wenn es sein muss, bis zum bitteren Ende. Merkels bitterem Ende. Denn dass diese Innenminister Horst Seehofer hinauswirft, das können sich die CSUler hier nicht vorstellen. Denn dann würde es auch einen Aufstand in der CDU geben, ist aus den bilateralen Gesprächen in Linz zu hören. Und zwar gegen Angela Merkel.

Offiziell betont Markus Söder, dass es nicht um Personen, sondern um Inhalte gehe. Und er ist davon überzeugt, dass die Mehrheit der Deutschen die Position der CSU teilt: Humanität ja, Asyl auch, aber nur für jene, die es brauchen. Einer illegalen Massenzuwanderung müsse mit Aufnahmezentren außerhalb der EU beigekommen werden. „Schutz nach außen, Liberalität nach innen“, nennt Söder das. Und er warnt vor einer Gefahr für die Demokratie, die eine weitere Zuwanderung in bisheriger Form mit sich bringen würde.

Mit dem Zug ist die österreichische Regierung nach Linz angereist, von den Freiheitlichen sind Heinz-Christian Strache und Herbert Kickl nicht mit dabei – die beiden weilen beim anderen Bündnispartner Matteo Salvini in Rom –, und Norbert Hofer ist erkrankt. Beim Einsteigen am Bahnhof in Wien werden die Mitglieder der Regierung von Jusos unfreundlich verabschiedet („Achtung Bahnsteig 8! Liebe Eltern! Aufgrund der österreichischen Bundesregierung verspätet sich die Ankunft bei ihren Kindern um bis zu vier Stunden täglich“), bei der Ankunft in Linz von Gewerkschaftern („Nein zum Zwölf-Stunden-Tag“) unfreundlich empfangen. Entschädigt wird der Kanzler dafür von Passanten, die ihn umringen und Selfies mit ihm wollen, egal, wo er auftaucht. Am Hauptbahnhof in Wien, am Hauptbahnhof in Linz, in der Linzer Innenstadt. So viel Aufregung um einen Politiker gab es seit Jörg Haiders Zeiten nicht mehr.

Die gegenseitige Sympathie mit den Bayern wird dann ausgiebig zelebriert. Man sei hier unter Freunden, mit der gleichen Sprache, „auch mit dem gleichen Akzent“, meint Markus Söder. Man streut einander Rosen. Zumal man ja auch über ein Handelsvolumen von 30 Milliarden Euro miteinander verbunden sei. Wiewohl, wie ebenso immer wieder betont wird, auch heikle Themen nicht ausgespart werden: etwa der Transit oder der Flughafen Salzburg.

In Summe überwiegt an diesem Tag aber das Bild einer österreichisch-bayrischen Eintracht in Sachen restriktiver Migrationspolitik. Das Bild wird zwar nicht ausschließlich für Angela Merkel gemacht – aber eben schon auch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21. Juni 2018)

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