Interview

Jean-Claude Juncker: FPÖ gehört nicht zu Salvini und Le Pen

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Der EU-Kommissionspräsident hofft, dass die Freiheitlichen mit ihren rechtspopulistischen Partnern in Italien und Frankreich brechen – und warnt vor einem „neokolonialistischen Gehabe“ in der Flüchtlingskrise.

Straßburg. Was erwartet sich der Präsident der Europäischen Kommission vom österreichischen Ratsvorsitz im Allgemeinen und von Bundeskanzler Sebastian Kurz im Speziellen? „Dass er als Vermittler und Brückenbauer in Europa agiert“, sagte Jean-Claude Juncker Montagabend im Straßburger Sitz des Europaparlaments im Gespräch mit österreichischen Journalisten. Der Chef der Brüsseler Behörde zeigte sich zuversichtlich ob der „österreichischen Leistungsfähigkeit“, lobte Kurz als „neues Talent in Europa“ und hob die „gute Beziehung“ der Kommission zum Bundeskanzler hervor.

Dieser gute Draht steht allerdings in einem gewissen Kontrast zur Beziehung der Brüsseler Behörde zur Bundesregierung – die bezeichnete Juncker nämlich als lediglich „professionell“. Diese Abstufung hat wohl auch mit dem Juniorpartner in der türkis-blauen Koalition zusammen – der FPÖ. Die Freiheitlichen vertreten bekanntlich europakritische Positionen und sind gemeinsam mit den französischen und italienischen Rechtspopulisten, Marine Le Pen und Matteo Salvini, Teil der EU-Parlamentsfraktion ENF (Europa der Nationen und der Freiheit). Das Naheverhältnis von Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zu Salvini und Co. ist Juncker ein Dorn im Auge: „Ich wünsche mir, dass die FPÖ aus diesem Negativverein (ENF, Anm.) austritt. Für mich gehört sie nicht in diese Rubrik.“ Nachsatz: „Es liegt nicht an mir, Herrn Strache Empfehlungen zu machen.“

Etwas anders verhält es sich in der europapolitischen Causa prima – der Flüchtlingskrise. Mit dem einzelstaatlichen Drängen auf dichte EU-Außengrenzen ist der Kommissionspräsident sichtlich unzufrieden. Als die Brüsseler Behörde 2013 einen gemeinsamen Schutz der EU-Außengrenzen vorgeschlagen hatte, seien die Bayern entschieden dagegen gewesen, erinnert Juncker – ein Seitenhieb auf die aktuellen Rufe aus München nach Grenzkontrollen.

Innenminister am Zug

Wie also kann die EU die Flüchtlings- und Migrationsproblematik in den Griff kriegen? Vom Vorsitzland Österreich wünscht sich Juncker einen Vorstoß Richtung Reform der EU-Asylvorschriften. Was die Frage des Umgangs mit Flüchtlingen und Migranten anbelangt, die auf hoher See gerettet werden, müssen sich laut Juncker nun die EU-Innenminister mit der Frage befassen, ob Asylanträge außerhalb der EU gestellt werden dürfen oder nicht (siehe oben). Zweiteres schwebt Kurz vor, doch die Gefechtslage innerhalb der Mitgliedsstaaten ist momentan unklar.

Klar für Juncker ist jedenfalls, dass derartige Ausschiffungsplattformen nur im Einverständnis mit den nordafrikanischen Mittelmeeranrainern organisiert werden können. „Ich warne vor einem neokolonialistischen Gehabe“, sagte Jucker in Richtung der EU-Mitglieder. Es könne nicht sein, „dass wir von Brüssel aus diktieren, was in Afrika zu passieren hat“. Sinn würden derartige Zentren nur dann machen, wenn dort die Trennung zwischen Flüchtlingen und Wirtschaftsmigranten vollzogen werden könnte. (la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2018)

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