„Ungarn derzeit gefährdeter als Polen“

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Die Ungarn-Berichterstatterin im EU-Parlament, Sargentini, ortet langandauernde Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit.

Brüssel. Die Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn durch die Regierung unter Viktor Orbán sind laut der Berichterstatterin im Europaparlament Judith Sargentini vielfältig. Sie reichten von Verstößen gegen die Freiheit der Wissenschaft, die Unabhängigkeit der Medien bis hin zu politischen Einflüssen auf den Verfassungsgerichtshof. „Ungarn ist derzeit gefährdeter als Polen“, erklärte die grüne EU-Abgeordnete im Gespräch mit österreichischen Journalisten. Mit ein Grund dafür sei, dass die Verstöße bereits länger andauern als in Polen.

Sargentini behauptet, dass gegen Ungarn bisher nur deshalb von den EU-Institutionen kein Artikel-7-Verfahren eingeleitet worden sei, weil die Regierungspartei Fidesz Teil der größten europäischen Parteienfamilie, der Europäischen Volkspartei (EVP), sei. Die polnische Regierungspartei PiS gehört hingegen der ECR-Fraktion an, die von den britischen Tories mitbegründet wurde.

Der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, weist diese Kritik entschieden zurück. Auf eine Frage der „Presse“ betonte er, dass Ungarn im Gegensatz zu Polen auf Kritik der EU-Kommission und Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs immer reagiert habe. Die Lage in den beiden Ländern sei nicht vergleichbar. Allerdings wolle er nicht ausschließen, dass wegen der jüngsten Anti-Soros-Gesetze weitere Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet werden.

Der Ungarn-Bericht von Sargentini wurde bereits im zuständigen Ausschuss beschlossen. Er muss noch im Plenum des Europarlaments abgestimmt werden. Erhält er dort eine Zweidrittelmehrheit, wird sich auch der Rat der EU mit der Einleitung eines Artikel-7-Verfahrens gegen Ungarn wegen Verstößen gegen die EU-Grundwerte befassen müssen. (wb)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2018)

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