Europas Regeln dafür, welcher Staat für welche Asylwerber zuständig sein soll, waren von Anfang an veraltet. Die EU-Innenminister werden in Innsbruck mit ihrer Reform ringen.
Brüssel. Juni 1990 war eine gute Zeit für Europa. Die Berliner Mauer war ein halbes Jahr zuvor gefallen. Vom blutigen Zerfall Jugoslawiens war noch ebenso wenig zu sehen wie von der Flüchtlingswelle, die dieser Krieg nach Norden treiben sollte. Emsig werkten die Regierungen der zwölf Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften daran, einen Binnenmarkt zu schaffen – einen, der keine internen Grenzkontrollen mehr kennen würde. Das rückte ein praktisches Problem in den Fokus der Europapolitik: Wer soll für Asylwerber zuständig sein, wenn es einen gemeinsamen Wirtschaftsraum gibt?
So traten die Innenminister am 15. Juni 1990 in Dublin zusammen, um ein Abkommen zu unterzeichnen. „Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft gestellten Asylantrags“: Der volle Name dieses schlanken internationalen Vertrags macht deutlich, worum es damals gegangen ist. Erstens wollte man das Problem lösen, dass Flüchtlinge von einem Staat zum anderen wandern, weil keiner sich für ihr Asylverfahren zuständig fühlt. Zweitens wollte man den Missbrauch dieser Unklarheit durch Asylwerber beenden, die gleichzeitig Anträge in mehreren Staaten stellen (also das „Asylshopping“).