Asylrecht: Brüssel will Abschiebungen beschleunigen

Kommissar für Migration, Justiz und Bürgerschaft, Dimitris Avramopoulos.
Kommissar für Migration, Justiz und Bürgerschaft, Dimitris Avramopoulos.(c) APA/BARBARA GINDL (BARBARA GINDL)
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Die Verhängung von Schubhaft soll vereinfacht werden, das „Abtauchen“ Abgelehnter erschwert.

Brüssel. Die Chefs der EU-Staaten haben es bei ihrem Gipfeltreffen Ende Juni bestellt, die Kommission hat nun geliefert: Eine Woche vor dem informellen Europäischen Ratstreffen in Salzburg schlägt die Brüsseler Behörde eine wesentliche Verschärfung jener EU-Vorschrift vor, welche einen einheitlichen Rahmen für die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber setzt. Diese sogenannte Rückführungsrichtlinie aus dem Jahr 2008 regelt die Bedingungen, unter denen Schubhaft verhängt werden kann, die Art und Weise der Abschiebung sowie die Rechtsmittel, mit denen sich Betroffene dagegen wehren können.

In all diesen Aspekten würde der Brüsseler Novellenvorschlag, den der zuständige Kommissar für Migration, Justiz und Bürgerschaft, Dimitris Avramopoulos, am Donnerstag vorstellte, wesentliche Straffungen bei der Rückführung irregulärer Einwanderer ohne Asylanspruch bewirken. Erstens soll erstmals der Schubhaftgrund des „Abtauchens“ vor dem Zugriff der Behörden klar definiert werden. Das hätte die Wirkung, dass die Gewährung der Möglichkeit, freiwillig in seine Heimat zurückzukehren, stark eingeschränkt würde: Die Fremdenrechtsbehörden hätten nun schließlich einen klar definierten Tatbestand der Entzugsgefahr, an dem sie den konkreten Sachverhalt messen müssten. Diese klare Fassung des Grundes, Schubhaft wegen der Gefahr des Verschwindens über einen illegalen Migranten zu verhängen, hätte eine weitere indirekte Folge: Wenn weniger oft das Recht zur freiwilligen Ausreise ohne Schubhaft gewährt werden könnte, würde öfter als bisher ein Einreiseverbot verhängt werden. Das wiederum würde bewirken, dass Wiederholungstäter schneller abgeschoben werden können.

Zweite wesentliche Neuerung: Die irregulären Migranten sollen künftig ausdrücklich zur Zusammenarbeit mit den Behörden verpflichtet werden. Das war bisher noch nicht klar festgeschrieben, hatte sich jedoch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der EU ergeben, wie der Europarechtsprofessor Steve Peers von der britischen University of Essex in einer ersten Analyse festhielt.

Damit verbunden möchte die Kommission auch festschreiben, dass die Mitgliedstaaten rechtsgültig abgelehnten Asylwerbern sofort die Ausreise befehlen. Das ist zwar grundsätzlich schon jetzt so und wird von den meisten nationalen Asylbehörden praktiziert, doch weist die Kommission darauf hin, dass nicht alle Mitgliedstaaten dies tun.

Keine Wartefrist vor Abschiebung mehr

Drittens würden die Bedingungen für die freiwillige Ausreise (abseits der oben geschilderten Gründe) stark verschärft. Die Mitgliedstaaten müssten einem abgelehnten Asylwerber nicht mehr wie derzeit mindestens sieben Tage Zeit dafür gewähren. Die freiwillige Ausreise soll zudem gänzlich verweigert werden können, wenn der irreguläre Migrant abzutauchen droht, offenkundig unbegründete oder betrügerische Angaben gemacht hat oder eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Gesundheit darstellt.

Der Novellenvorschlag, der nun von den Regierungen und dem Europaparlament verhandelt und beschlossen werden muss, sieht jedoch auch eine Stärkung des Rechtsschutzes für Asylwerber vor. Ihre Berufungen müssen von Gerichten behandelt werden; Verwaltungsbehörden reichen nicht. Dafür müssen alle Mitgliedstaaten für zumindest drei Monate Schubhaft vorsehen (was natürlich nicht heißt, dass jeder irreguläre Migrant so lang festzusetzen ist).

Mehr Kompetenzen für Frontex

Die EU-Grenz- und Küstenwache Frontex, die wie berichtet im Laufe der nächsten beiden Jahre auf 10.000 Mann vergrößert werden soll, soll stärker als bisher bei Abschiebungen mithelfen und zu diesem Zweck auch in Drittstaaten tätig werden können (etwa bei Abschiebeflügen). Kommissar Avramopoulos zerstreute allerdings das in sozialen Medien geschürte Gerücht, Frontex solle nun „militarisiert“ werden: „Die Frontex-Beamten sollen Waffen und Munition tragen können, wenn ihre eigenen nationalen Gesetze es vorsehen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2018)

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