Brexit: Mays düsteres Austrittsfinale

Die britische Premierministerin Theresa May.
Die britische Premierministerin Theresa May.(c) APA/AFP/POOL/AARON CHOWN
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Die Krisenszenarien werden immer dramatischer. Der Abschluss der Austrittsverhandlungen wird für Premierministerin May ein innenpolitischer Spießrutenlauf.

London. Je näher das Aussteigen Großbritanniens aus der EU rückt, desto dramatischer werden die Warnungen. Der zuständige britische Parlamentsausschuss schrieb in einem gestern, Dienstag, veröffentlichten Bericht, dass ein „No Deal“-Brexit „chaotische und schädliche Folgen“ für die britische Wirtschaft haben werde. Noch klarer hatte sich zuvor die Chefin des International Währungsfonds, Christine Lagarde, geäußert: „Jede Form des Brexit wird Kosten für Großbritannien bringen.“

Während die einen (noch) warnen, schaffen die anderen (schon) Fakten. Jaguar Land Rover, der größte Autohersteller Großbritanniens, meldete 1000 Mitarbeiter seines Werks in Birmingham vorerst bis Weihnachten für eine Drei-Tage-Woche an. Die Maßnahme, von der die Hälfte der Belegschaft betroffen ist, wurde mit „produktionsbedingten Anpassungen“ begründet. In der Vorwoche hatte Jaguar-Boss Ralph Speth erklärt, bei einem chaotischen Brexit sei die Zukunft der gesamten Autoindustrie in Großbritannien in Gefahr.

Konkurrent BMW, der in England Luxuskleinwagen der Marke Mini und Nobelschlitten der Traditionsmarke Rolls-Royce herstellt, kündigte indes eine vorübergehende Werkschließung von einem Monat an: „Wenn wir auch glauben, dass der schlimmste Fall unwahrscheinlich ist, müssen wir uns darauf vorbereiten“, erklärte ein Firmensprecher. Ins selbe Horn stieß ein Vertreter von Honda, schloss aber einen völligen Abzug aus Großbritannien aus.

Damit nicht genug: Auch die EU-Partner geben den Briten weiter wenig Hoffnung. „Erst wenn sie in den tiefen Abgrund blicken und ihre dunkelste Stunde erleben, werden sie ihre Verhandlungsstrategie ändern“, warnte ein EU-Diplomat nach einem Bericht des „Guardian“. Entsprechend wenige Hoffnungen machte man sich in London im Vorfeld des heute beginnenden Salzburger Sondergipfels. Die britische Premierministerin Theresa May sollte nur für ein Kurzreferat zu Wort kommen, da man „ohnehin nicht erwartet, dass sie sich vor ihrem Parteitag substanziell bewegen kann“, hieß es in diplomatischen Kreisen.

Mays Konservative treffen zu Monatsende zu einem mit Spannung erwarteten Parteitag in Birmingham zusammen. Presseberichte wie in der Vorwoche über eine offene Rebellion scheinen unrealistisch, denn den Gegnern Mays fehlen sowohl ein glaubhafter Alternativplan als auch ein respektabler Anführer. Außenminister Jeremy Hunt höhnte gestern: „Die politische Landschaft ist übersät von Leichen, die den unmittelbaren Sturz von Theresa May vorausgesagt haben.“ Aber die Partei steht auch alles andere als geeint hinter ihrer Premierministerin.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2018)

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