Während in Großbritannien das Brexit-Abkommen heftig diskutiert wird, sehen im EU-Parlament viele eine vernünftige Lösung. Darunter Parlamentspräsident Tajani und einige Abgeordnete aus Österreich.
Im EU-Parlament wird die prinzipielle Einigung über einen Brexit begrüßt. Antonio Tajani, Präsident des EU-Parlaments, hat am Donnerstag im EU-Parlament in Straßburg bei einem Pressestatement mit dem Brexit-Chefverhandler der EU, Michel Barnier, erklärt, er sei mit den Kernpunkten des Vertragsentwurfs zu den Bürgerrechten, den Finanzen und Irland zufrieden. Der Liberale Guy Verhofstadt, Verhandlungsführer des Parlaments, sagte, das sei das beste Abkommen, das wir erzielen konnten.
Das EU-Parlament wolle den Vertragsentwurf nun genau analysieren und in einer der nächsten Sitzungen, wahrscheinlich im Dezember, eine Resolution hierzu verabschieden, erklärte Verhofstadt. "Wir sind noch nicht am Ziel und es gibt noch viele Etappen bis zur Unterzeichnung eines Abkommens", erklärte Barnier. Bis dahin werde man ruhig weiterarbeiten.
Österreichs Vertreter zufrieden
Europaabgeordnete aller fünf heimischer EU-Parlamentsparteien haben den Brexit-Vertragsentwurf am Donnerstag begrüßt. Unter den gegebenen Umständen, sei der Entwurf grundvernünftig, sagte Othmar Karas (ÖVP). Am Tisch liege eine Notlösung, die vorerst ein Chaos abwendet, erklärte Josef Weidenholzer (SPÖ). Die Zustimmung im britischen Parlament sei jedoch noch unsicher, warnte Angelika Mlinar (NEOS).
"Es wurde schon genug taktiert. Taktische Spielchen haben zum Brexit geführt", so der ÖVP-Delegationsleiter im Europaparlament Karas. Er appelliere daher an die Abgeordneten des britischen Unterhauses, dass sie das Wohl ihres Landes über ihre persönlichen Ambitionen und politische Taktik stellen. "Der Brexit ist sehr bedauerlich, aber der Vertragsentwurf ist - unter den gegebenen Umständen - grundvernünftig", betonte er.
Auch FPÖ und Grüne sind froh, dass ein Vertragsentwurf für den Brexit vorliegt. Auf dieser Basis könne weiterverhandelt werden, erklärte der FPÖ-Europaabgeordnete Harald Vilimsky am Donnerstag. Er warnte aber, dass die Entscheidung der Briten zum Brexit akzeptiert werden müsse. "Bezüglich der Lage Nordirlands glaube ich, dass hier alte Dämonen heraufbeschwört werden, die hier fehl am Platz sind", so der FPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament. Keine der Parteien wünscht sich eine Abschottung oder bildliche Mauern um Nordirland herum. Wichtig wäre es daher, sobald wie möglich ein Freihandelskommen mit Großbritannien zu erzielen, "damit man den Menschen diese Ängste nimmt".
Der Grüne EU-Abgeordnete Michel Reimon will indes alles tun, um ein zweites Referendum zu unterstützen. "Im Moment kommen jedoch die Rücktritte britischer Minister schneller, als man den Vertrag beim Durcharbeiten umblättern kann." Das EU-Parlament habe kein Interesse an einem harten Brexit. Es schaue aber so aus, als ob sich die Hardliner mit "No Deal" durchsetzen wollten, so Reimon. "Wir sollten jetzt alles tun, um die Rufe nach einem zweiten Referendum zu unterstützen."
Abwarten auf britisches Parlament
In den wichtigsten Bereichen gebe es jetzt Klarheit, die größte Hürde stehe mit der Abstimmung im britischen Parlament aber noch bevor, erklärte der Vizepräsident der sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament Weidenholzer. Mays Deal bleib jedoch noch viele Antworten schuldig. "Ein harter Brexit würde besonders die britischen Beschäftigten hart treffen, sie sind die Leidtragenden der verlogenen Brexit-Kampagne und der zerrütteten konservativen Partei. Sie haben sich einen tragfähigen Kompromiss verdient." Es brauche aber fixe Zusagen statt bloßer Absichtserklärungen, so Weidenholzer.
"Die ersten Rücktritte in der britischen Regierung zeigen bereits, dass eine Zustimmung im Parlament alles andere als sicher ist", betonte die Neos-Europaabgeordnete Mlinar. Sofern das britische Parlament zustimme, sehe sie auch im EU-Parlament selbst eine Mehrheit für die Vereinbarung. "Die Nordirland-Frage ist meiner Meinung nach mit der Übergangsphase und dem Verbleib in der Zollunion gut geregelt", sagte sie. Bei den Bürgerrechten werde noch auf Zeit gespielt, "hier fehlt mir noch die definitive Aussage bzw. gültige Vereinbarung", so Mlinar.
Österreichs Brexit-Delegierter zuversichtlich
Der österreichische Brexit-Delegierte Gregor Schusterschitz zeigt sich trotz der jüngsten Regierungskrise in London wegen des Brexit-Vertragsentwurfs zuversichtlich. "Wir vertrauen drauf, dass Theresa May das gelingen wird, genug Unterstützung für diesen Deal zu kreieren", sagte Schusterschitz Donnerstagmittag dem Ö1-Mittagsjournal mit Blick auf die britische Premierministerin.
"Es war klar, dass das nie ein leichter Prozess in London sein wird, es ist eine extrem wichtige Entscheidung für London, die größte Außenpolitische Entscheidung der letzten 70 Jahre", hob Schusterschitz hervor, und fügte hinzu: "Wer geglaubt hat, dass das einfach gehen würde, war naiv."
Am Donnerstagmittag nahm der österreichische Diplomat an einer Sitzung für den "Notfall" - falls Großbritannien ohne Abkommen im Frühjahr aus der EU tritt - teil. Am Abend beratet der österreichische Diplomat mit seinen 26 anderen EU-Kollegen über den am Mittwoch veröffentlichten 585 Seiten umfassenden Entwurf.
(APA)