Brüssel und London einigen sich darauf, wie es nach dem Brexit weitergehen soll

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Die EU-Kommission und die britische Regierung einigen sich auf eine politische Erklärung über die Beziehungen nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU. Doch es gibt bereits erste Kritik. Spanien droht mit einem Veto.

Die Europäische Union und Großbritannien haben sich am Donnerstag auch auf eine politische Erklärung darüber verständigt, wie ihre Beziehung nach dem Brexit aussehen soll. Eine entsprechende Vereinbarung sei "auf Ebene der Verhandler" erzielt worden, teilte EU-Ratspräsident Donald Tusk in Brüssel mit. Die Zustimmung der EU-Staats- und Regierungschefs sei noch ausständig.

Doch es gibt bereits Kritik. Störfeuer kommt aus Madrid: Nachdem es bereits seine Vorbehalte gegen den Austrittsvertrag deponiert hatte, will Spanien nun auch der politischen Erklärung über die künftigen Beziehungen zwischen der EU und London nicht zustimmen, wie am Donnerstag aus spanischen Diplomatenkreisen in Brüssel verlautete. Die EU-Botschafter der künftigen 27 Mitgliedsstaaten wollten um 15.00 Uhr mit den Beratungen über den Text beginnen.

Auch die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon kritisierte die Brexit-Erklärung zwischen Großbritannien und der EU stark. "Jede Menge Einhörner, die an die Stelle von Fakten über die künftigen Beziehungen treten", teilte Sturgeon am Donnerstag über Twitter mit. Mit Einhörnern werden in Großbritannien unrealistische politische Ziele umschrieben.

May verteidigt den Brexit-Plan

Die britische Premierministerin Theresa May verteidigte am Donnerstag die Brexit-Erklärung in einer kurzen öffentlichen Stellungnahme. "Dies ist der richtige Deal für Großbritannien", sagte May in der Downing Street in London. Das Abkommen sei in Reichweite und werde die Weichen für eine bessere Zukunft stellen. Sie sei "entschlossen", es umzusetzen.

Bundeskanzler Sebastian Kurz zeigte sich nach einem Gespräch mit May am Donnerstag in London "sehr optimistisch", dass es in der Gibraltar-Frage zu einer Lösung kommen werde: "Es gibt gute Gesprächskanäle in dieser Frage, und insofern hoffe ich sehr, dass es gelingt, bis Sonntag auch diese Frage noch auszuräumen." Bei allem Verständnis für die Interessen einzelner EU-Staaten sei es wichtig festzuhalten, dass die EU letzten Endes geschlossen agieren müsse.

Nach dem Textentwurf für die Erklärung soll die Übergangsperiode um ein bis zwei Jahre verlängert werden können. Während dieser Zeit solle Großbritannien ins EU-Budget einzahlen, heißt es. Bei den Fischereirechten wolle man sich bis Juli 2020 einigen. Bis zu diesem Datum soll auch entschieden sein, ob britische Finanzdienstleistungen weiterhin im Rest der EU anerkannt werden.

Außerdem verpflichten sich beide Seiten in der Erklärung darauf, ein "ambitioniertes Zollabkommen" umzusetzen. Der Güterhandel soll so gut wie möglich funktionieren, es sei eine "ehrgeizige" und "tiefe" wirtschaftliche und politische Partnerschaft geplant. So sei die "Schaffung eines Freihandelsgebiets" ohne Zölle, Abgaben und mengenmäßige Beschränkungen das Ziel.

Spanien könnte das ganze Abkommen noch kippen

Von der künftigen Regelung der Wirtschaftsbeziehungen ist auch abhängig, ob eine dauerhafte Lösung für die Nordirland-Frage gefunden werden kann. Die EU hat Großbritannien im Austrittsvertrag das Zugeständnis abgerungen, dass Nordirland auf Dauer in einer Zollunion mit der EU bleiben wird, wenn sich beide Seiten nicht auf einen anderen Modus zur Vermeidung einer "harten Grenze" zur Republik Irland einigen können. Dieser Passus ist in Großbritannien besonders umstritten.

Die britische Premierministerin Theresa May wollte um 15.30 Uhr eine Rede vor dem britischen Unterhaus halten. In London hielt sich am Donnerstag auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) auf, der May nach eigenen Angaben den Rücken stärken, sich aber auch ein "realistisches Bild" von den Chancen zur Annahme des Austrittsvertrags durch das Unterhaus in London machen wollte.

Austrittsvertrag und politische Erklärung sollen am Sonntag bei einem Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs abgesegnet werden. Ob dies gelingt, ist noch offen, weil Spanien Bedenken bezüglich der Formulierungen zu Gibraltar angemeldet hat. Anfang Dezember soll dann das britische Unterhaus über den Austrittsvertrag abstimmen. Mays Chancen, das Abkommen durch das Parlament zu bringen, werden als gering eingeschätzt.

(APA/Reuters/AFP)

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