Magere Zeiten für die City of London

Brexit. Britische Finanzdienstleister sind künftig vom Wohlwollen der EU abhängig.

Brüssel/Wien. Angesichts der vielen Irrungen und Wendungen der Brexit-Saga ist es fast in Vergessenheit geraten, dass die City of London einst als wichtigster Faktor in den Verhandlungen um den EU-Austritt Großbritanniens gehandelt wurde. Das Finanzzentrum steuert knapp drei Prozent zur britischen Wirtschaftsleistung sowie elf Prozent des gesamten Steueraufkommens bei und fungiert als wichtigster Wertpapier-Umschlagplatz der EU – doch bei den Brexit-Gesprächen spielte die City bis dato eine untergeordnete Rolle.

Das hat mindestens drei Gründe. Erstens lag es seit dem Austrittsvotum vom 23. Juni 2016 auf der Hand, dass der uneingeschränkte Zugang für in London ansässige Finanzinstitutionen zum europäischen Binnenmarkt mit dem Brexit zu Ende sein würde – bei der Regulierung der Finanzströme ist die EU noch strenger als beim Warenfluss.

Zweiter Grund: Zu viele Unionsmitglieder wollen ein Stück des lukrativen Finanzkuchens für sich ergattern. Um das Geschäft der City rittern unter anderem Paris, Frankfurt, Amsterdam und Dublin. Vor allem Frankreich möchte möglichst viele Banken und Versicherungen dazu bringen, von London nach Paris zu übersiedeln.

Brüssel entscheidet

Grund Nummer drei: Die Verhandlungen über die Ausgestaltung der künftigen Beziehungen beginnen erst nach dem Brexit-Tag. Die 26-seitige Absichtserklärung, die dem Austrittsvertrag beiliegt, sieht für die Zukunft ein sogenanntes Äquivalenzregime vor: Demnach liegt die Entscheidung, ob britische Finanzdienstleister am Binnenmarkt tätig sein dürfen, einzig und allein bei der EU. Die Erklärung sieht vor, dass die relevanten Kriterien bis zum Ende der Übergangsfrist 2020 festgelegt werden sollen – dieses Versprechen ist allerdings nicht in Stein gemeißelt. Und Brüssel hat London bereits zu verstehen gegeben, dass die Äquivalenz nicht über das für Drittstaaten bisher übliche Ausmaß hinausgehen wird. Auf privilegierten Zugang dürfen die Briten also nicht hoffen.

Was passiert, falls Großbritannien ohne einen Deal aus der EU ausscheidet? Für diesen Notfall hat die Kommission Ausnahmeregelungen vorgesehen, die es europäischen Firmen ermöglichen sollen, selbst im Falle eines „harten“ Brexit weiterhin Transaktionen in London zu tätigen. Dabei geht es vor allem um Operationen zur Absicherung von Finanzgeschäften, die über Derivate gehandhabt werden – die City of London ist für europäische Firmen der mit Abstand wichtigste Handelsplatz für Derivate. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sich die Briten weiterhin an die relevanten EU-Regeln halten. (ag./la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2018)

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