Labour schlägt zweites Brexit-Referendum vor

Das Komplizierte am Brexit: es geht auch immer um Innenpolitik und das Schielen auf die nächste Wahl. Die Gegenspieler: Jeremy Corbyn von der Labour-Partei gegen Premierministerin Theresa May von den Tories.
Das Komplizierte am Brexit: es geht auch immer um Innenpolitik und das Schielen auf die nächste Wahl. Die Gegenspieler: Jeremy Corbyn von der Labour-Partei gegen Premierministerin Theresa May von den Tories.APA/AFP/PRU/HO
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Beratungen im britischen Parlament sollen einen Brexit ohne Abkommen abwenden. Doch Abgeordnete der Regierungspartei dürften einem Labour-Vorschlag kaum zustimmen.

Im Ringen um einen Ausweg aus der Brexit-Sackgasse hat die britische Labour-Partei erstmals eine Parlamentsabstimmung über ein zweites Referendum vorgeschlagen. In einem Antrag, den die Oppositionspartei am Montagabend einreichte, wird die Regierung aufgefordert, dem Unterhaus Zeit für Beratungen zu geben, um einen ungeregelten Austritt Großbritanniens aus der EU abzuwenden.

Corbyn schlug einen Zusatz zum Entwurf für den Brexit-Vertrag vor, der dem Parlament das Recht gegen soll, über Möglichkeiten zur Vermeidung eines harten Brexit abzustimmen. Zudem soll es mehr Zeit für Beratungen geben. Nach Angaben der Labour-Partei sollten Optionen wie die permanente Mitgliedschaft in der europäischen Zollunion und eine Volksabstimmung über den Brexit-Vertrag erörtert werden. Beide Vorschläge hatte May in der Vergangenheit allerdings mehrfach ausgeschlossen. "Unser Zusatzvertrag wird es den Abgeordneten ermöglichen, über Möglichkeiten zur Beendigung der Brexit-Blockade abzustimmen und das Chaos eines ungeregelten Austritts abzuwenden", sagte Corbyn. Nach dem bisherigen Fahrplan soll das Parlament kommenden Dienstag über Ergänzungen zum Brexit-Vertrag abstimmen.

Das Brexit-Abkommen war in der vergangenen Woche im Unterhaus mit deutlicher Mehrheit abgelehnt worden. Am Montag stellte May den Abgeordneten ihren "Plan B" vor, um den Vertrag doch noch durchs Parlament zu bringen. Sie will mit der EU nun erneut über die künftige Grenzregelung zwischen Irland und Nordirland verhandeln, die bei den Brexit-Hardlinern besonders umstritten ist.

Eine grundlegend neue Strategie für den EU-Austritt legte May aber nicht vor. Forderungen nach einem zweiten Brexit-Referendum wies sie ebenso zurück wie eine Verschiebung des für den 29. März geplanten EU-Austritts.

Die nordirische Partei DUP, die die Minderheitsregierung von May bisher unterstützt, forderte, alle Regelungen zum Grenzregime in Irland müssten dasselbe Gewicht wie der eigentliche Brexit-Vertrag haben. Die DUP lehnt die bisher ausgehandelte Ausgestaltung der Grenze auf der irischen Insel ab. May hatte angekündigt, Bedenken über den sogenannten Backstop bei neuerlichen Verhandlungen mit der EU auszuräumen.

Nächster Brexit-Termin: 29. Jänner

Am nächsten Dienstag soll das Unterhaus nun weiter über ihre Vorschläge beraten. Die Abgeordneten können dann auch über Anträge für eine andere Lösung abstimmen. Der Labour-Antrag hat allerdings nur geringe Aussichten auf Erfolg, weil auch Abgeordnete von Mays konservativen Tories dafür stimmen müssten. Es gilt als sehr unwahrscheinlich, dass sie einen Vorschlag von Labour-Chef Jeremy Corbyn unterstützen.

Brexit-Gegner zeigten sich dennoch erfreut, dass im Parlament offen über ein zweites Referendum debattiert werden soll. Der Labour-Abgeordnete David Lammy sprach von einem "großen Schritt nach vorne". Seine Partei räume zum ersten Mal in einem Parlamentsantrag ein, dass eine "Volksabstimmung der einzige Weg nach vorne sein könnte".

Andere Anträge werden auch von EU-freundlichen Konservativen unterstützt, darunter ein Antrag, der einen EU-Austritt ohne Abkommen durch eine Verzögerung des Austrittsprozesses abwenden soll. Allerdings werden wohl nicht alle Anträge zur Abstimmung zugelassen. Darüber entscheidet Parlamentspräsident John Bercow in der nächsten Woche.

Ähnlich wie andere führende EU-Politiker kritisierte die deutsche Justizministerin Katarina Barley die britische Premierministerin im Deutschlandfunk: "Ich bin enttäuscht." Sie bekräftigte die Linie der EU, eine inhaltliche Neuverhandlung des jetzigen Vertrages komme nicht infrage. Ein Sprecher der EU-Kommission sagte, derzeit gebe es aus Brüssel nichts Neues, weil es aus London nichts Neues gebe. Er forderte die britische Regierung auf, ihre Absichten zu konkretisieren.

(APA/AFP)

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