EU-Austritt: Hard Brexit würde auch heimische Jobs kosten

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Großbritannien und die EU haben kaum noch Verhandlungsspielraum. Nachdem Premierministerin May ein Angebot der Opposition für eine Zollunion abgelehnt hat, wird ein ungeordneter Austritt wahrscheinlicher.

Brüssel/London. Ein ungeregelter Austritt Großbritanniens aus der EU könnte laut einer neuen Studie des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) weltweit 612.000 Arbeitsplätze vernichten. Durch erwartbare Einbrüche im Handel würden auch in Österreich Jobs verloren gehen. Im Vergleich zu anderen Ländern allerdings relativ wenige: 1900 Stellen. Weitere 4000 Arbeitsplätze könnten indirekt gefährdet sein.

Gemessen an der Gesamtbeschäftigung sind die Auswirkungen in Malta, Irland, Belgien und der Slowakei am größten. Diese Länder haben einen intensiven Waren- und Dienstleistungsaustausch mit Großbritannien. Österreich liegt unter 43 untersuchten Ländern auf Rang 22. In absoluten Zahlen wäre der deutsche Arbeitsmarkt mit 100.000 gefährdeten Stellen am stärksten betroffen. In Deutschland hätte der Exportrückgang vor allem negative Auswirkungen auf die Autoindustrie. Auch China müsste mit dem Verlust von 59.000 Arbeitsplätzen rechnen.

Die Simulationsrechnung der deutschen Ökonomen erfasst nur Jobeffekte, die auf den erwartbaren Importeinbruch in Großbritannien zurückzuführen sind. Die Wissenschaftler gehen von einem Rückgang der britischen Einfuhren um 25 Prozent aus. Weitere mögliche Auswirkungen eines ungeordneten Brexit, wie niedrigeres Wirtschaftswachstum oder sinkende Investitionsbereitschaft, sind in der Studie nicht berücksichtigt.

May gegen Zollunion

Der Hard Brexit wird auch deshalb wahrscheinlicher, weil sich in London kein Konsens abzeichnet. Die britische Premierministerin, Theresa May, hat ein Angebot von Oppositionschef Jeremy Corbyn zurückgewiesen, in dem er für eine weitere Zollunion mit der EU eintrat. Für diese Form der weiteren Zusammenarbeit gibt es zwar auch unter den Tories Sympathisanten, doch will May von ihrer bisherigen Linie nicht abweichen.

Die Regierungschefin wird am Dienstag eine neue Erklärung zum Brexit abgeben. Es wird damit gerechnet, dass sie weiter auf Zeit setzt. Am gestrigen Abend hatten die beiden Chefunterhändler, Michel Barnier für die EU und Brexit-Minister Stephen Barclay für Großbritannien, in Brüssel noch einmal Gespräche über den Austritt aufgenommen. Allerdings hatten zuletzt führende EU-Politiker erklärt, sie sähen keinen neuen Verhandlungsspielraum. Kommt kein Vertrag zustande, tritt das Land am 29. März ohne Folgeregelung aus der EU aus.

In London wird damit gerechnet, dass es eher eine vorübergehende Verlängerung der Mitgliedschaft geben wird als diesen ungeordneten Schritt. (ag./red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2019)

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