Theresa May: "Müssen die Nerven behalten"

Theresa May beharrt auf ihrer Linie.
Theresa May beharrt auf ihrer Linie.APA/AFP/PRU/HO
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Die britische Premierministerin spielt auf Zeit. Sie will die EU zu Nachverhandlungen im Brexit-Deal bewegen. Dafür sei Zeit bis zum 26. Februar. Doch die EU will nicht verhandeln.

Abwarten und Tee trinken. So könnte der Appell der britischen Premierministerin Theresa May an die Abgeordneten im Londoner Parlament salopp zusammengefasst werden. Denn im Brexit-Poker setzt sie rund sechs Wochen vor dem angesetzten Austrittstermin auf den Faktor Zeit, um ihre Forderungen durchzusetzen. "Die Gespräche sind in einer entscheidenden Phase und wir müssen jetzt alle unsere Nerven behalten, um die Änderungen zu bekommen, die dieses Haus haben möchte, und einen Brexit zeitgerecht erreichen", sagte May am Dienstag vor dem versammelten Unterhaus des britischen Parlaments. Konkret nannte sie die Änderungen an der umstrittenen Auffanglösung für Nordirland ("Backstop"), den Schutz der Arbeitnehmerrechte und die Stärkung der parlamentarischen Mitsprache in den Verhanldungen. Sollte dies geringen, "glaube ich, dass wir einen Deal bekommen können, den dieses Haus unterstützen kann".

May blieb insgesamt jedoch vage und nannte keinerlei konkreten Verhandlungsfortschritte mit der EU oder auch nur Ideen, wie diese zu erreichen wären. Sie wiederholte bekannte Standpunkte: Ein harter Brexit sei jedenfalls zu vermeiden, mit der EU wolle sie über den Backstop weiterverhandeln. Eine Grenze auf der irischen Insel werde sie nicht zulassen. Sie glaube weiterhin an einen Deal, den das Parlament unterstützen könne. "Gegen einen No-Deal zu reicht nicht aus, diesen zu verhindern."

May nannte den 26. Februar als neue Deadline für einen Brexit-Deal mit der EU. Sollte sie bis zu diesem Tag keine Vereinbarung haben, werde sie wieder vor das Parlament treten. Dabei versuchte sie Befürchtungen über einen Hard Brexit zu zerstreuen. Es gebe noch "genug Zeit" für eine Vereinbarung.

Am Donnerstag ist dann eine große Debatte über das weitere Vorgehen beim Brexit angesetzt. Ein Termin für eine neue bindende Abstimmung über das Brexit-Abkommen steht allerdings noch nicht fest.

Eine erste Abstimmung hatte May im Jänner krachend verloren. Zwei Drittel der Abgeordneten stimmten gegen ihren Brexit-Vertrag. Im Unterhaus ist weiter keine Mehrheit für Mays Vertrag mit der EU in Sicht. Daher fordert die Regierungschefin von der EU Nachverhandlungen, in denen sie Zugeständnisse erreichen will. Bis jetzt ohne Erfolg.

Tritt May im Sommer zurück?

Zentraler Streitpunkt ist die künftige Ausgestaltung der Grenze auf der irischen Insel. Zwar wollen beide Seiten, dass keine Grenze mit Kontrollen, Absperrungen und Einschränkungen entsteht. Die EU fordert dafür jedoch, dass Nordirland Teil des Binnenmarktes bleibt, solange kein Handelsabkommen mit Großbritannien abgeschlossen worden ist. Das will eine Mehrheit im Parlament nicht akzeptieren. Die Kritiker befürchten, dadurch würde Großbritannien nach dem Brexit weiter den EU-Handelsregeln unterworfen bleiben.

Gegner werfen May vor, auf Zeit zu spielen. May habe nur eine Taktik, die Zeit abzuwarten, sagte etwa Labour-Chef Jeremy Corbyn in seiner Repblik auf die Erklärung der Premierministerin am Dienstag. Sie habe die wesentlichen Fragen weiterhin nicht beantwortet: "Welchen Fortschritt hat sie gemacht, alternative Lösungen zu finden? Hat sie diese der Europäischen Union präsentiert?" Die Premierministerin rate den Menschen, die Nerven zu bewahren - das solle sie den Nissan-Mitarbeitern sagen, die um ihre Jobs bangen. Der japanische Autobauer hatte zwei Monate vor dem geplanten Brexit angekündigt, dass er seine neue Version des SUVs X-Trail doch nicht in Großbritannien bauen wird.

Mit Mays Spiel auf Zeit würden Abgeordnete in die Zwickmühle gebracht, sich zwischen den Vorstellungen von May und einem ungeordneten Brexit am 29. März zu entscheiden. In letzteren Fall werden wirtschaftliche Einbrüche erwartet, die beide Seiten vermeiden wollen.

An einen Rücktritt denkt May trotz mangelnden Rückhalts nicht so schnell: Nach Informationen der britischen Boulevard-Zeitung "The Sun" bereitet sie eine Aufgabe ihres Postens erst im Sommer vor. Mindestens zwei ranghohe Kabinettsvertreter hätten den Eindruck, dass May einen solchen Schritt plane, um Einfluss darauf zu haben, wer ihre Nachfolge antrete, berichtete das Blatt am Montag. 

(APA/Reuters/red.)

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