Britisches Parlament öffnet Tür zu Brexit-Verschiebung

Abstimmung im Unterhaus
Abstimmung im UnterhausAPA/AFP/PRU/HO
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Premierministerin May bekommt einen Aufschub des Austritts, hält einen solchen für 29. März aber weiter für machbar, während Hardliner in der Nordirlandfrage Einlenken andeuten. Merkel ist gesprächsbereit, Macron skeptisch.

London. Premierministerin Theresa May hat das Ja des Parlaments für eine Verlängerung des EU-Austrittsverfahrens nach Artikel 50 EU-Vertrag erhalten. Das Unterhaus stimmte am Mittwochabend mit gigantischer Mehrheit von 502 zu 20 Stimmen (die übrigen der gesamt 650 Abgeordneten enthielten sich oder waren verhindert) einer Resolution zu, mit der Mays Kurswechsel abgesegnet wird.

Ein Antrag der Labour Party auf einen sanften Brexit mit Fortsetzung der Mitgliedschaft in der EU-Zollunion scheiterte erwartungsgemäß mit 240 zu 323 Stimmen.

Von zunächst elf Anträgen gelangten vier zur Abstimmung. Auch eine Entschließung der Scottish National Party, einen No-Deal-Brexit auszuschließen, lehnten die Abgeordneten mit 288 zu 324 ab. Angenommen wurde eine Resolution, in der die Regierung aufgefordert wurde, ungeachtet der endgültigen Entscheidung über das Austrittsabkommen jene Regeln einseitig in Kraft zu setzen, mit denen die künftigen Rechte der EU-Bürger in Großbritannien gesichert werden.

Ja, aber. . .

Vor der Abstimmung hatte May in einer Zeitung die Abgeordneten gefordert, „jetzt ihre Pflicht zu tun“ und den Austritt über die Bühne zu bringen. In einem grundlegenden Richtungswechsel hatte sie am Dienstag eine „kurze und befristete“ Verlängerung des Brexit über den Termin 29. März hinaus in Aussicht gestellt. Sie betonte aber: „Wir bleiben absolut fokussiert, eine Vereinbarung zu erreichen und am 29. März auszutreten.“

Auf eine mögliche Verschiebung des Brexit reagierten am Mittwoch auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in einer gemeinsamen Pressekonferenz. Dabei schlugen sie diverse Töne an. „Wenn Großbritannien mehr Zeit braucht, werden wir uns nicht verwehren“, sagte Merkel. Macron meinte, eine Verlängerung komme nur in Frage, „wenn sie durch neue Positionen der Briten gerechtfertigt“ sei. Dennoch betonten beide, sie seien in der Brexit-Frage „vollkommen einer Meinung“.

Wieder ein Datum: 12. März

Der vom Parlament abgesegnete Plan gibt der Regierung bis 12. März Zeit, einen Vertrag mit der EU zu schließen und dem Unterhaus vorzulegen. Scheitert der Deal, erfolgt am nächsten Tag eine Abstimmung über einen Hard Brexit, Lehnt das Unterhaus diese Option ab, findet am 14. März eine Abstimmung über die Verlängerung des Austrittsverfahrens statt. May will, dass dies nicht länger als bis Ende Juni dauern solle.

Neuer Zeitplan

12. März. Neue Abstimmung über den EU-Austrittsvertrag.
13. März. Im Falle eines Nein zum Brexit-Abkommen will Premierministerin May über einen Hard Brexit abstimmen lassen.
14. März. Lehnen die Abgeordneten auch den Hard Brexit ab, will May eine Verlängerung durchsetzen.

Ihre Chancen auf Zustimmung des Parlaments zu einem Deal schienen sich am Mittwoch leicht zu verbessern. Jacob Rees-Mogg, Wortführer der Brexit-Hardliner, signalisierte Entgegenkommen und sagte zur Auffanglösung für Nordirland: „Ich kann mit einer De-Facto-Streichung des Backstop aus dem Vertrag leben, selbst wenn sie nicht de jure erfolgt.“ May betonte, man mache „gute Fortschritte“ in den Gesprächen mit der EU und den Partnerstaaten.

Nach dieser Wende stieg besonders in der Wirtschaft die Hoffnung, dass ein No-Deal-Brexit praktisch ausgeschlossen sei. Welch arge Folgen ein Ausscheiden ohne Abkommen hätte, geht nicht zuletzt aus einem Regierungspapier hervor, wonach die britische Wirtschaft in den nächsten 15 Jahren bis zu neun Prozent schrumpfen würde. Obwohl sich Großbritannien vor mehr als zweieinhalb Jahren für den Brexit ausgesprochen hat, sind Behörden, Betriebe und Bevölkerung weiterhin „völlig unvorbereitet“ auf die Folgen eines EU-Austritts ohne Vereinbarung, heißt es in dem Papier.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2019)

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