Brexit-Drama vor der Verlängerung

APA/AFP/TOLGA AKMEN
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Premierministerin Theresa May will nächste Woche noch einmal versuchen, den Brexit-Deal durchzubringen, während die EU-Seite bereits für eine lange Nachdenkpause wirbt.

London. Einmal geht's noch: Die britische Premierministerin Theresa May will vor dem EU-Gipfel Ende kommender Woche ein drittes und letztes Mal ihren EU-Deal dem Unterhaus zur Abstimmung vorlegen. Davor sollten die Abgeordneten bereits Donnerstagabend über eine „kurze Verlängerung“ des Brexit bis 30. Juni entscheiden. Hoffnung schöpfte die Regierung aus Zeichen für einen Kurswechsel der nordirischen DUP, deren Chefin Arlene Foster erklärte: „Erst wenn man an das Ende einer Verhandlung kommt, sieht man wirklich das Weiße im Auge des Gegenübers. Das ist der Moment, an dem man einen Deal macht.“

Fosters DUP lehnte das vorliegende Abkommen mit der EU bisher ab und forderte eine völlige Neufassung der Auffangregelung für Nordirland (Backstop). Die Partei unterstützt nicht nur Mays Minderheitsregierung, ihr Verhalten ist auch richtungsweise für viele konservative Brexit-Hardliner. Diese schließen allerdings eine Zustimmung zu Mays Deal weiterhin aus: „Egal, wie oft sie damit kommt, wir werden es jedes Mal ablehnen“, erklärte etwa Steve Baker, einer ihrer Wortführer.

„Weg ist alles andere als klar“

Dass die Hoffnungen der Regierung nicht allzu groß sind, machte Lidington selbst klar: Bis Mittwoch kommender Woche werde May noch einmal ihren bisherigen Deal zur Abstimmung stellen. Sollte sie scheitern, werde die Regierung Anfang April eine Reihe von Probeabstimmungen abhalten, um einen mehrheitsfähigen Entwurf zu finden. Damit müsse man dann wieder zur EU. „Der Weg, der vor uns liegt, ist alles andere als klar“, räumte Lidington ein.

Aus der Brüssel wurde London indes aufgerufen, über die weitere Vorgangsweise gründlich und ohne Zeitdruck nachzudenken. EU-Ratspräsident Donald Tusk deutete einen Kurswechsel an und erklärte: „Ich werde an die EU 27 appellieren, sich offen zu einer langen Verlängerung zu zeigen“. Der irische Regierungschef Leo Vardakar, eine Schlüsselfigur im Brexit-Prozess, meinte „mehr Zeit gibt die Chance, alles noch einmal zu überdenken“.

Vor der Abstimmung über die Verlängerung lagen den britischen Abgeordneten auch vier Zusatzanträge zur Entscheidung vor. Erstmals war darunter auch eine überparteiliche Initiative für eine neuerliche Brexit-Volksabstimmung. Für die oppositionelle Labour Party hieß es damit, Farbe zu bekennen. Nach dem Scheitern ihres Misstrauensantrags gegen die Regierung May im Jänner ist ein neues Referendum offiziell Parteilinie. Inoffiziell weiß freilich jeder, dass Labour-Chef Jeremy Corbyn einen neue Volksabstimmung mindestens so sehr vermeiden möchte wie die Premierministerin.

Völliger Zusammenbruch der Fraktionsdisziplin

Auch Proponenten eines „People´s Vote“ sahen sich über die Zulassung des Antrags durch Parlamentschef John Bercow irritiert: „Der falsche Zeitpunkt und der falsche Grund. Heute geht es um die Verlängerung. Die Frage der Volksabstimmung kommt danach“, erklärte Alastair Campbell, ehemals Labours Spindoktor, per Twitter. Obwohl mit einer Ablehnung gerechnet wurde, zeigte sich die Regierung offenbar besorgt: Mehrere konservative Rebellen, die zuletzt wiederholt gegen die Führung gestimmt hatten, wurden in die Downing Street einbestellt.

Die neuerliche Abstimmungsniederlage am Mittwoch hatte einen völligen Zusammenbruch der Fraktionsdisziplin unter den Konservativen gezeigt. Für Sanktionen ist May aber mittlerweile bereits zu schwach. Mit dem Rücktritt von Staatssekretärin Sarah Newton verlor sie in nur 20 Monaten bereits das 15. Regierungsmitglied. Der Kommentator Faisal Islam spottete: „Kein Konservativer wird mehr das Telefon abheben, denn jeder hat Angst, in diese Regierung geholt zu werden.“

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