Endspiel für Theresa May und ihren weichen Brexit

Großbritanniens Premierministerin, Theresa May, kommt an die rote Linie.
Großbritanniens Premierministerin, Theresa May, kommt an die rote Linie.APA/AFP/EMMANUEL DUNAND
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In der nächsten Woche dürfte das Unterhaus erneut gegen den EU-Deal stimmen.

Wien. Nach dem Beschluss des EU-Gipfels über eine kurze Verschiebung des Brexit haben die letzten Tage im Amt für die britische Premierministerin, Theresa May, begonnen. Schon in der nächsten Woche wird sie dem Parlament neuerlich ihr bereits zweimal gescheitertes Abkommen zur Abstimmung vorlegen, wie Brexit-Staatssekretär Kwasi Kwarteng gestern, Freitag, in einer chaotischen Unterhaussitzung bestätigt hat. „Das ist unsere Absicht.“

In einem Brief an die Abgeordneten hat May am Freitag damit gedroht, den umstrittenen Austrittsdeal nicht noch einmal zur Abstimmung zu bringen, wenn es keine ausreichende Unterstützung dafür gebe. Dies hätte einen ungeregelten EU-Austritt Londons am 12. April zur Folge.

Doch die Chancen auf eine Zustimmung sind minimal. Nicht nur hat May den Abgeordneten nichts Neues anzubieten, das vielleicht Zauderer und Zögerer zum Umdenken bewegen könnte. Sie hat zudem mit ihrer Gespensterrede von Mittwochabend, in der sie dem Parlament die alleinige Schuld an der Krise zugewiesen hat, endgültig alle Sympathien unter den Abgeordneten verspielt. Der konservative Brexit-Hardliner Mark Francois: „Das Parlament wird das Abkommen nicht zuletzt wegen der eher anmaßenden Rede der Premierministerin ablehnen, in der sie uns vorgeworfen hat, die Unverschämtheit zu besitzen, nach unserem besten Wissen und Gewissen zu entscheiden.“

Abgeordnete wie Francois fürchten auch das letzte Druckmittel, das May noch bleibt, nicht: einen harten Brexit. Die EU hat klargemacht, dass dieser am 12. April kommt, sollte das Parlament nicht doch noch auf Mays Deal einschwenken. Doch selbst ein Regierungsmitglied räumte nun ein: „Wenn sie die Abstimmung in der nächsten Woche verliert, sehe ich nicht, wie sie weitermachen kann.“ Ein Kabinettsmitarbeiter ergänzte: „Es ist, als hätte sie aufgegeben.“

Davon ließ sich May zumindest äußerlich nichts anmerken. Nach Gesprächen mit führenden Ministern wollte sie das Wochenende mit Arbeit am Regierungssitz Chequers verbringen. Brexit-Staatssekretär Kwarteng hat bestätigt, dass am Montag das Brexit-Gesetz, das derzeit immer noch den Austritt für kommenden Freitag vorsieht, geändert wird. Die Abstimmung über den Deal wird am Mittwoch oder Donnerstag erwartet, das Veto von Parlamentschef John Bercow gegen eine wiederholte Abstimmung sieht man „nicht als unüberwindliches Hindernis“ an.

Suche nach Abfederung

Zugleich arbeiteten Abgeordnete aller Fraktionen fieberhaft an Novellen, die das Schlimmste verhindern sollen. Einer von ihnen, der Labour-Abgeordnete Hilary Benn, meinte: „Dafür muss sich auch May wenigstens ein paar Millimeter bewegen.“ Innerhalb von Stunden wurden sieben Anträge eingebracht. In fünf Tagen soll nun geschafft werden, wozu man in den 1000 Tagen seit dem Brexit-Referendum nicht fähig war. Dafür wacht nun auch die britische Zivilgesellschaft auf. Eine Online-Petition für den Widerruf des EU-Austrittsantrags erreicht bis Freitagmittag schon mehr als drei Millionen Unterschriften. May wischte die Initiative vom Tisch: „Wir haben bereits entschieden.“ In London wurden heute, Samstag, wieder Hunderttausende zu einer Kundgebung gegen den Brexit erwartet.

Nachdem May zuletzt sowohl einen innerparteilichen Umsturzversuch als auch einen Misstrauensantrag der Opposition im Parlament überstanden hat, kann sie nur durch einen „freiwilligen“ Rückzug aus dem Amt entfernt werden. Eine aufschiebende Wirkung für den Brexit hätte ein Rücktritt Mays nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2019)

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