Experten warnen vor Ende der EU-Operation „Sophia“.
Brüssel. Nach vier Jahren endet auf Druck Italiens die Rettung schiffbrüchiger Migranten im Mittelmeer durch die EU-Marinemission „Sophia“. Diplomaten der EU-Regierungen einigten sich am Dienstag darauf, die Mission zwar um sechs Monate zu verlängern, den Einsatz der verbliebenen beiden Schiffe aber per 31. März zu beenden. Nur mehr aus der Luft sollen die Aktivitäten von Schleppern sowie Öl- und Waffenschiebern überwacht werden.
„Diese Entscheidung macht offiziell, was de facto seit Juli 2018 passiert: Seither hat ,Sophia‘ keine einzige Rettung mehr durchgeführt“, sagt Matteo Villa vom Italienischen Institut für internationale Politikstudien in Mailand zur „Presse“. Zudem bestätigte er den von deutscher Seite geäußerten Verdacht, dass die operative Leitung von „Sophia“ seit Antritt der populistischen Regierung in Rom gezielt Schiffe in Regionen des Mittelmeeres schickte, wo keine Migrantenboote zu finden waren: „Das ist ein offenes Geheimnis.“ Villa warnt davor, dass die Einstellung der Rettungsarbeit zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt erfolgt: „Erstens beginnt der Frühling, weshalb mehr Boote ablegen.“ Zweitens hätten die libyschen Schleppersyndikate einen ökonomischen Anreiz, mehr der bei ihnen verschuldeten Migranten auf Boote zu setzen, „damit die vielleicht doch aus Italien Geld schicken“. Die Verantwortung für den möglichen Anstieg von Todesfällen liege in den Hauptstädten, nicht bei der EU: „Keine Regierung wird politisches Kapital für die Fortsetzung der Rettungen einsetzen.“
Marie De Somer vom European Policy Centre in Brüssel weist auf den breiteren politischen Kontext hin: „Wenn wir das Dublin-System und die Asylregeln nicht reformieren, werden wir das grundlegende Problem mit ,Sophia‘ immer wieder aufs Neue haben.“ (GO)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2019)