Das britische Unterhaus debattiert am Montag über eine Online-Petition für den Verbleib Großbritanniens in der EU. Das Parlament berät auch über einen Alternativplan zu dem von Premierministerin May mit der EU ausgehandelten Austrittsvertrag,
Mehr als sechs Millionen Menschen haben bis Sonntag eine Online-Petition für den Verbleib Großbritanniens in der EU unterzeichnet. An diesem Montag soll im Unterhaus in London über die Petition debattiert werden. Die Regierung hat allerdings bereits mitgeteilt, dass sie eine Rücknahme der Austrittserklärung ablehnt und sich an das Referendum von 2016 gebunden fühlt.
Bei der Volksabstimmung hatte damals eine knappe Mehrheit von 51,9 Prozent für den Brexit votiert. 17,4 Millionen Briten stimmten am 23. Juni 2016 dafür, der EU den Rücken zu kehren, 16,1 Millionen dagegen.
Online-Petitionen dürfen alle britischen Staatsbürger - auch im Ausland - und Einwohner Großbritanniens unterzeichnen. Das Parlament muss den Inhalt jeder Petition mit mehr als 100.000 Unterzeichnern für eine Debatte berücksichtigen.
Gerüchte, dass auch Unbefugte die Petition unterzeichnet hätten, wies das zuständige Komitee zurück. 96 Prozent aller Unterschriften stammten aus dem Vereinigten Königreich - dies entspreche den Erwartungen. Über Sicherheitsmaßnahmen wollte sich das Komitee nicht äußern.
May in der Zwickmühle
Premierministerin Theresa May unternimmt in den kommenden Tagen einen neuen Anlauf, um einen Ausweg aus der Brexit-Sackgasse zu finden. Dann entscheidet sich womöglich auch, ob es Neuwahlen geben wird. Am Montag berät das Parlament abermals über einen Alternativplan zu dem von May mit der EU ausgehandelten Austrittsvertrag, den die Abgeordneten am Freitag zum dritten Mal abgelehnt hatten. Medienberichten zufolge könnte es dann am Dienstag zu einer Stichwahl zwischen den beiden Vorschlägen kommen.
May hatte kurz vor der Abstimmung ihren Rücktritt angeboten, um Kritiker auf ihre Seite zu ziehen. Doch der Vorstoß scheiterte. Nun hat sie weniger als zwei Wochen Zeit, um die anderen 27 EU-Staaten davon zu überzeugen, dass sie die Blockade noch lösen kann. Andernfalls muss die Regierungschefin eine weitere - diesmal deutliche - Verschiebung des Austrittstermins beantragen oder ihr Land am 12. April ohne Abkommen aus der Europäischen Union führen. Vor einem solchen ungeregelten Brexit fürchtet sich insbesondere die Wirtschaft, weil dadurch eine erhebliche Beeinträchtigung der Konjunktur sowohl in Großbritannien als auch in der EU droht.
Über das Wochenende blieb unklar, mit welcher neuen Strategie May sich nun um eine Mehrheit für ihren Deal bemühen wird. Der Generalsekretär ihrer Konservativen Partei, Brandon Lewis, sagte BBC-Radio, alle Optionen seien zu prüfen. Der Zeitung "Sunday Times" zufolge droht May ein Auseinanderbrechen ihrer Regierung, sollte sie ihren Deal nicht doch noch durchs Parlament bringen. Entscheide sie sich für einen Austritt ohne Vertrag, würden mindestens sechs pro-europäische Minister ihre Ämter aufgeben. Lasse die Premierministerin sich dagegen auf eine Zollunion mit der EU ein oder eine lange Verschiebung des Austritts, drohe der Rücktritt von mehreren Brexit-Anhängern in der Regierung.
Der Brief der Abgeordneten
Unter den diskutierten Alternativen zu Mays Deal ist der Vorschlag, mit der EU nach dem Austritt eine Zollunion einzugehen, einer der beliebtesten im Parlament. Er wird insbesondere auch von Abgeordneten der oppositionellen Labour Party unterstützt und gilt als bevorzugte Variante vieler Wirtschaftsbosse. Brexit-Unterstützer sind jedoch dagegen, weil Großbritannien damit die Möglichkeit genommen würde, eigene Handelsvereinbarungen zu schließen. Der Zeitung "Sun" zufolge haben 170 der 314 konservativen Abgeordneten May einen Brief geschrieben, in dem sie auf einen EU-Austritt in den kommenden Monaten drängen - selbst wenn das einen harten Brexit bedeuten würde.
Vergangene Woche hatte eine Unterhaus-Debatte über diverse Alternativ-Vorschläge keine Mehrheit ergeben. Am Montag machen die Abgeordneten einen neuen Anlauf. Der Plan, der die meisten Stimmen erhält, könnte dem Parlament am Dienstag in einer Stichwahl gegen Mays Abkommen vorgelegt werden, berichtete die Zeitung "Mail on Sunday". Gegebenenfalls könnten dann bereits am Mittwoch Neuwahlen anberaumt werden, hieß es ohne Quellenangabe. Diesem Vorgehen müssten zwei Drittel der Abgeordneten zustimmen. Mays Berater seien jedoch uneins, ob die Regierungschefin diesen Schritt gehen soll, berichtete das Blatt. Eine Meinungsumfrage im Auftrag der Zeitung ergab, dass Labour fünf Prozentpunkte Vorsprung vor den Konservativen hat. Presseberichten zufolge sind führende Tories gegen Neuwahlen, weil sie eine krachende Niederlage fürchten.
(APA/Reuters/dpa)