Der Kanzler will diese Woche beim EU-Gipfel in Sibiu für eine Vertragsänderung werben. Seine damit verbundenen Ziele bedürfen jedoch eher politischen Willens als neuer Regeln.
Brüssel/Wien. Grundsätzlich wollen die Staats- und Regierungschefs ihr informelles Europäisches Ratstreffen im rumänischen Sibiu/Hermannstadt am Donnerstag dafür nutzen, um in aller Unverbindlichkeit über die politischen Prioritäten der Gesetzgebungsperiode 2019 bis 2024 zu reden. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) will einen Schritt weitergehen. Er möchte, wie er der „Presse“ und den Bundesländerzeitungen am Freitag sagte, den EU-Vertrag ändern. Der derzeitige in der Lissabon-Form, seit 1. Dezember 2009 in Kraft, sei nicht mehr zeitgemäß, so seine Argumentation.
Ähnlich, wenn auch etwas zurückhaltender äußerte sich Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ): „Die Vertragsänderung ist immer unser Wunsch gewesen", betonte er. Aber: Es gelte abzuwarten, in welche Richtung die vertragliche Änderung gehen werde. Eine Entscheidung wird am Donnerstag nicht erwartet, hieß es im Vorfeld aus EU-Ratskreisen.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat sich prinzipiell für eine Beibehaltung des derzeitigen Rechtsrahmens ausgesprochen. "Wir sollten die Verträge nutzen, die wir haben, wobei wir Änderungen nicht ausschließen sollten", sagte Juncker am Dienstag im Vorfeld des EU-Gipfels in Sibiu in Brüssel. Die EU habe manchmal nicht perfekte Verträge, die aber richtig umgesetzt würden. Andererseits gebe es auch perfekte Verträge. Diese wären dann auch nicht perfekt, wenn der Wille zur Umsetzung fehle.
Ungeachtet der Schwierigkeiten, welcher der einstimmigen Änderung des EU-Vertrages im Weg stehen, stellt sich die Frage nach ihrer Notwendigkeit, um Kurz' Ziele einer dynamischeren, schneller entscheidenden Union zu erreichen. Eine Analyse seiner Ideen:
1 Eine verkleinerte EU-Kommission, nur ein Sitz für das EU-Parlament
Künftig soll nicht mehr jedes Land automatisch einen Kommissar stellen, die Nominierung sollte einem „fairen Rotationssystem“ unterworfen werden: diese Forderung, welche Europaminister Gernot Blümel am Montag wiederholte, könnte Kurz schon jetzt umsetzen. Laut Artikel 17 Absatz 5 des Lissabon-Vertrages sollte die Kommission seit 2014 nur mehr aus zwei Dritteln der Mitgliedstaaten bestehen. Doch um die Iren zur Zustimmung zu diesem Vertrag zu gewinnen, erklärten sich die anderen Staats- und Regierungschef 2008 bereit, diese Regel vorerst nicht anzuwenden. Will Kurz dies ändern, könnte er ein Veto gegen die fortgesetzte Nichtanwendung von Artikel 17 einlegen. Das wäre allerdings ein Affront gegenüber Irland; man müsste sich also einen Abtausch überlegen.