Die Bilanz von Jean-Claude Juncker und kein Kommentar zu Orbán

Jean-Claude Juncker machte auch mit ungewöhnlichen "Scherzen" von sich reden: hier beim Haarezerzausen des liberalen Fraktionschefs Guy Verhofstadt.
Jean-Claude Juncker machte auch mit ungewöhnlichen "Scherzen" von sich reden: hier beim Haarezerzausen des liberalen Fraktionschefs Guy Verhofstadt.REUTERS
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Während seiner Zeit an der Spitze der Institution seien 12,6 Millionen Arbeitsplätze geschaffen worden. Der Aufstieg rechter Parteien sei auch das Ergebnis nationaler Politik.

Der scheidende EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat am Dienstag in Brüssel eine positive Bilanz über seine Präsidentschaft gezogen. Die drei zu Beginn seiner Amtsperiode gesetzten Prioritäten Beschäftigung, Wachstum und Investitionen seien verwirklicht worden, sagte er im Vorfeld des EU-Gipfels in Sibiu.

12,6 Millionen Arbeitsplätze seien seit seinem Amtsantritt 2014 geschaffen worden, die Beschäftigungsquote sei auf 73 Prozent gestiegen, so Juncker, der dies als Ergebnis von Einheit und Entschlossenheit sieht. Bis zum Jahr 2020 erwartet er, dass eine Beschäftigungsquote von 75 Prozent erreicht werde.

"Die Jugendarbeitslosigkeit ist mit 14 Prozent noch immer zu hoch, konnte aber um sieben Prozent reduziert werden", räumte der Kommissionschef ein. Auch den Reichtum sieht er innerhalb der Union als weiterhin ungleich verteilt an, die Gehälter in der EU seien aber durchschnittlich um 5,7 Prozent gestiegen.

Lob für den „Juncker-Plan"

Dass die EU dasselbe Investitionsniveau wie vor der Krise aufweist, führte er auf den sogenannten "Juncker-Plan" zurück, wie der Europäische Fonds für Strategische Investitionen (EFSI) genannt wird. 400 Milliarden Euro seien ohne zusätzliche Verschuldung dank neuer Finanzinstrumente mobilisiert worden, erklärte Juncker.

Den Aufstieg von rechtspopulistischen Parteien in Europa darf man laut dem Kommissionschef nicht alleine darauf zurückführen, dass die EU-Bürger von der Europäischen Union enttäuscht seien. "Dies ist auch das Ergebnis von nationaler Politik, die nicht den Erwartungen der Bürger entspricht", so Juncker, dessen Nachfolger nach den EU-Wahlen Ende Mai bestimmt wird.

Am Donnerstag findet im rumänischen Sibiu (Hermannstadt) ein Treffen der 27 Regierungs- und Staatschefs statt. Das scheidende Mitglied Großbritannien ist in Hinblick auf die Planung der strategischen Agenda für die kommenden fünf Jahre nicht vertreten. EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani nimmt auch an dem Gipfel teil, dem ein Treffen der Europäischen Volkspartei (EVP) vorausgeht, an dem Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ebenfalls teilnimmt.

Die Ankündigung von Ungarns Premier Viktor Orbán, EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber nicht mehr zu unterstützen, wollte der EVP-Politiker und frühere Luxemburger Regierungschef Juncker nicht kommentieren: Er sei seit seinem Antritt als Kommissionspräsident nicht mehr Parteipolitiker: "Ich werde mich nicht zu Kampagnen äußern." Die Angelegenheit sei Sache der Europäischen Volkspartei, "das betrifft mich nicht".

Spitzenkandidat soll Nachfolger werden

Juncker geht außerdem nicht davon aus, dass die Staats- und Regierungschefs die Ernennung eines Spitzenkandidaten bei der Europawahl zu seinem Nachfolger stoppen können. Sie hätten dies bei der letzten Wahl 2014 erfolglos versucht, sagte Juncker am Dienstag in Brüssel. Sie würden auch dieses Mal "keinen Erfolg haben".

Mit dem konservativen luxemburgischen Ex-Regierungschef Juncker war nach der Europawahl 2014 erstmals der Spitzenkandidat einer Partei zum Kommissionspräsidenten ernannt worden. Insbesondere der britische Premierminister David Cameron hatte versucht dies zu verhindern, aber keine Sperrminorität im Kreis der Staats- und Regierungschefs zusammenbekommen.

Am Ende hatten nur Cameron und der ungarische Regierungschef Viktor Orbán gegen Juncker gestimmt. Auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel zögerte mehrere Tage, bevor sie Juncker unterstützte. Sie steht dem Spitzenkandidatenprozess bis heute reserviert gegenüber. Dagegen steht Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) voll hinter dem Prozess und unterstützt auch den EVP-Kandidaten Manfred Weber.

Ein EU-Vertreter verwies am Dienstag auf einen Beschluss der Staats- und Regierungschefs vom Februar 2018, wonach es in der Personalfrage "keinen Automatismus" gebe und ein erfolgreicher Spitzenkandidat nicht unbedingt Kommissionschef werden müsse. Über das Verfahren zur Bestimmung des Juncker-Nachfolgers und anderer Kandidaten für wichtige EU-Posten wollen die Staats- und Regierungschefs am Donnerstag bei ihrem Gipfel in Rumänien beraten.

Timmermans und Weber treffen am Dienstagabend im deutschen Fernsehen zu einer Debatte zusammen. Lag die EVP in den vergangenen Monaten in den Umfragen klar vor den Sozialdemokraten, haben der sich abzeichnende Exit vom Brexit und die Turbulenzen um die EVP-Mitgliedschaft von Orbáns Fidesz das Rennen wieder spannender gemacht.

(APA/AFP)

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