Wie sich die fixe Teilnahme der Briten an der EU-Wahl auswirkt

Die Briten werden zur EU-Wahl gerufen, was den Brexit auch bei der Ämterverteilung in die nächste Legislaturperiode verschleppt.
Die Briten werden zur EU-Wahl gerufen, was den Brexit auch bei der Ämterverteilung in die nächste Legislaturperiode verschleppt.REUTERS
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Die Briten nehmen an der EU-Wahl teil. Dadurch kommt es zu einer Verschiebungen bei der Zahl der EU-Abgeordneten, die  Machtverhältnisse im kommenden EU-Parlament ändern sich. Gibt es dann einen britischen EU-Kommissar?

London. Großbritannien wird in jedem Fall an der Europawahl Ende Mai teilnehmen. Dies teilte der britische Vizepremier David Lidington am Dienstag mit. Die Regierung sei nämlich zum Schluss gekommen, dass eine Ratifizierung des EU-Austrittsabkommens vor dem 23. Mai nicht mehr möglich sei. Damit sind die Versuche von Premierministerin Theresa May offiziell gescheitert, zeitnahe eine Einigung über den Brexit zu erzielen. Eine neuerliche Runde zwischen Regierung und Labour-Partei zur Einigung über das zukünftige Verhältnis des Landes zur EU brachte auch am Dienstag kein konkretes Ergebnis.

Die Auswirkungen der britischen Teilnahme an der Europawahl sind vielfältig. Eine Übersicht:

1 Österreich bekommt vorerst einen Abgeordneten weniger

Österreich wird deshalb im neuen EU-Parlament erneut mit 18, nicht wie nach dem Brexit geplant, mit 19 EU-Abgeordnete vertreten sein. Erst wenn Großbritannien austritt, werden die Sitze – wie zwischen den EU-Staaten vereinbart – neu verteilt. Größte Verlierer des verschobenen Brexit sind Frankreich und Spanien, die vorerst auf fünf zusätzliche Abgeordnetensitze verzichten müssen. Für Niederlande und Italien reduziert sich die Zahl um jeweils drei. Für das größte EU-Land Deutschland hätte der Brexit sowieso nichts verändert. Es bleibt in jedem Fall bei 96 Abgeordneten. Das Parlament wäre von 751 auf insgesamt 705 Abgeordnete geschrumpft – allerdings nicht um die Gesamtzahl der 73 ausgeschiedenen britischen Abgeordneten. Dadurch hätten einige Länder mehr Sitze erhalten.

2 Neue politische Machtverhältnisse im künftigen Europaparlament

Die Teilnahme der Briten wird auch die prognostizierten Machtverhältnisse deutlich verändern. Die sozialdemokratische Fraktion (S&D) kann laut Prognose von Poll of Polls mit etwa 20 zusätzlichen Mitgliedern von Labour rechnen, die sonst weggefallen wären. Sie könnte damit am meisten profitieren. Gestärkt wird auch die bisherige Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (ECR), der die Tories angehören. Sie können mit zwölf britischen Abgeordneten rechnen. Damit steht die mögliche Auflösung dieser Fraktion vorerst nicht mehr auf der Tagesordnung. Gestärkt wird zudem jene Fraktion, der künftig die Brexit-Party von Nigel Farage angehört – derzeit die Fraktion Europa der Freiheit und der direkten Demokratie (EFDD). Aktuelle Umfragen sehen die Brexit-Party bei 26,8 Prozent und 16 Sitzen. Für Farage, der bei nationalen Wahlen bisher nicht besonders stark punkten konnte, bedeutet die Brexit-Verschiebung eine Verlängerung seiner politischen Karriere in Brüssel und Straßburg. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er sich dort an der Bildung einer neuen rechten Fraktion beteiligen wird. Der große Verlierer der Brexit-Verschiebungen wäre die Europäische Volkspartei (EVP). Seit dem Austritt der Tories waren kaum noch britische Abgeordnete in der Fraktion vertreten. Sie dürfte allerdings dennoch stärkste politische Kraft im neuen Europaparlament werden.

3 Offene Fragen zum britischen Kommissar

Zieht sich der Brexit weiter – zumindest bis zum Herbst – hin, wird die britische Regierung nicht nur eine gewichtige Rolle bei der Bestellung des nächsten Kommissionspräsidenten spielen. London könnte theoretisch auch wieder einen eigenen Kommissar entsenden. Dabei ist allerdings fraglich, ob dieser überhaupt eines der Dossiers der Kommission übernehmen kann. Andererseits könnte die Regierung in London darauf bestehen, bei der Vergabe der wichtigen EU-Posten nicht diskriminiert zu werden – etwa in der Form, dass ihr Vertreter nur als Kommissar ohne Portefeuille in die EU-Exekutive einzieht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2019)

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