Anders als der Bundeskanzler sieht die Außenministerin die Aufweichung des Einstimmigkeitsprinzips bei außenpolitischen Entscheidungen im EU-Rat als „schweren Fehler".
Die Debatte über eine Neuaufstellung der EU nach der Europawahl und dem absehbaren Austritt Großbritanniens ist um eine österreichisch-innenpolitische Facette reicher: In einer Stellungnahme gegenüber der „Presse“ widerspricht Außenministerin Karin Kneissl der von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ins Spiel gebrachten Aufweichung des Einstimmigkeitsprinzips bei Entscheidungen im EU-Rat. Nach den Worten von Kurz ist im Zuge einer allfälligen EU-Reform „in zumindest gewissen Bereichen der Außenpolitik eine Aufweichung vorstellbar, damit die EU außenpolitisch in der Welt mit einer Stimme sprechen kann und handlungsfähig ist".
Für Kneissl geht die Reformbereitschaft des Bundeskanzlers zu weit: „Die Aufgabe des Einstimmigkeitsprinzips in der gemeinsamen europäischen Außenpolitik wäre ein schwerer Fehler. Die kleineren europäischen Länder, wie Österreich, würden dabei in ihren Interessen zu kurz kommen", ließ die Außenministerin Donnerstagabend über ihren Sprecher ausrichten.
An dem grundsätzlichen Reformbedarf in der EU „wie von Bundeskanzler und Vizekanzler gefordert“ zweifelt die österreichische Chefdiplomatin zwar nicht. Sie weist allerdings darauf hin, dass der Übergang zu Mehrheitsbeschlüssen den diplomatischen Spielraum der Bundesrepublik einshcränken würde. Außerdem wäre „die Fortführung einer aktiven österreichischen Neutralitätspolitik nicht mehr im vollen Umfang möglich". Kneissl beruft sich in ihrer Kritik auch auf einen ehemaligen ÖVP-Bundeskanzler: „Wir brauchen eine gemeinsame Außenpolitik, die nicht nur von einem Direktorat der Großen gemacht wird, wie schon Wolfgang Schüssel betonte.“ (red.)