Die Nähe des Chefs der nationalpopulistischen Regierungspartei PiS zum polnischen Klerus im Vorfeld der Europawahl erweist sich angesichts aktueller Enthüllungen über Kindesmissbrauch durch Priester als Bumerang.
Wien/Warschau. Vermutlich hat sich Jarosław Kaczyński den Endspurt im Europawahlkampf etwas anders vorgestellt. Durch üppige Wahlgeschenke (etwa die einmalige Auszahlung einer 13. Pension) motiviert, würden die polnischen Wähler am kommenden Sonntag das Kreuz bei seiner nationalpopulistischen Regierungspartei PiS machen, dachte sich wohl „Herr Präses“, wie Kaczyński von seinen Anhängern ehrfurchtsvoll genannt wird. Doch dann machte die katholische Kirche dem PiS-Parteichef einen dicken Strich durch die Rechnung.
Ein Dokumentarfilm namens „Sag es bloß niemandem“ des Journalisten Tomasz Sekielski, bei dem es um Kindesmissbrauch in der Kirche geht, wurde seit seiner Veröffentlichung auf YouTube vor gut einer Woche von mittlerweile jedem zweiten Polen gesehen. Während einige der einstigen Täter in der Soutane um Vergebung bitten, wirkt die geistliche Führung des Landes wie gelähmt und versucht, mit halbherzigen Entschuldigungen die Angelegenheit vom Tisch zu wischen. Den Polen, die zu den frömmsten EU-Bürgern zählen, scheint dies nicht genug zu sein: In einer zu Wochenbeginn veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Pollster sprachen sich 54 Prozent der Befragten für einen Rücktritt aller polnischen Bischöfe aus. Die Mehrheit in der polnischen Bevölkerung sieht die Verantwortung für den weit verbreiteten und lange vertuschten Kindesmissbrauch nicht bei den einzelnen Geistlichen, sondern bei der Kirche selbst.