Von der Leyen muss bangen

Die Kandidatin für die Nachfolge von Jean-Claude Juncker muss sich am Dienstag im EU-Parlament dem Votum stellen.

Brüssel. Kann die von den Staats- und Regierungschefs der EU vorgeschlagene Kandidatin für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten die Mehrheit der Europaabgeordneten von sich überzeugen? Die Antwort auf diese Frage stand auch am gestrigen Donnerstag aus. Ursula von der Leyen war zum Zug gekommen, nachdem sich die EU-Granden bei ihrem Treffen nicht auf einen der Spitzenkandidaten der Europawahl hatten einigen können. Um am 1. November Jean-Claude Juncker beerben zu können, muss die bisherige deutsche Verteidigungsministerin am kommenden Dienstag (18 Uhr) ein Votum im Straßburger Plenum des Europaparlaments überstehen.

Ihre Ablehnung kundgetan haben bereits zwei Fraktionen: die Linken mit 41 Mandaten und die europäischen Grünen mit insgesamt 74Abgeordneten. Um gewählt zu werden, ist die absolute Mehrheit der aktuell 746 Mitglieder der EU-Volksvertretung nötig, also 374 Stimmen. Von der Leyen benötigt neben ihrer konservativen Europäischen Volkspartei mit 182 Abgeordneten rechnerisch zwei bis drei weitere Fraktionen, um gewählt zu werden. Die europäischen Sozialdemokraten (152Sitze) waren ursprünglich zwar strikt gegen die Kandidatur von der Leyens, in der Zwischenzeit gehen Fraktionsmitglieder davon aus, dass zumindest die Hälfte der sozialdemokratischen Gruppe mit einem Ja stimmen werden. Positive Signale gab es zuletzt auch von der liberalen Fraktion Renew (108Europaabgeordnete) und der EKR-Fraktion (62 Mandate), die von der nationalpopulistischen polnischen Regierungspartei PiS dominiert wird. Die Polen waren maßgeblich daran beteiligt, dass der Sozialdemokrat Frans Timmermans nicht zum Zug kam und von der Leyen als Kompromisskandidatin vorgeschlagen wurde.

Noch ein Sondergipfel?

Sollte die deutsche Kandidatin am Dienstag scheitern, wird ein weiteres Sondertreffen der europäischen Staats- und Regierungschefs noch im Juli erwartet. Die EU müsse die Postenbesetzungen vor der Sommerpause klären, hieß es am gestrigen Donnerstag in Ratskreisen. (ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2019)

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