Großbritannien/EU: Warum am Backstop kein Weg vorbeiführt

Die Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland ist 499 Kilometer lang – und lässt sich wegen ihres mäandernden Verlaufs und der mehr als 200 befahrbaren Grenzübergänge nur äußerst schwierig kontrollieren.
Die Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland ist 499 Kilometer lang – und lässt sich wegen ihres mäandernden Verlaufs und der mehr als 200 befahrbaren Grenzübergänge nur äußerst schwierig kontrollieren. (c) Getty Images/Westend61 (Westend61)
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Die Brexit-Rückversicherung, die Kontrollen an der irischen Grenze verhindern soll, sorgt für neuen Streit zwischen London und Brüssel.

London/Brüssel. Die Brexit-Sommerpause ist vorbei. Montagabend schickte Großbritanniens Premier, Boris Johnson, einen Brief an Donald Tusk, in dem er den EU-Ratspräsidenten um das Streichen des Backstop aus dem Austrittsabkommen ersuchte. Die Klausel soll sicherstellen, dass keine „harte“ Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland eingezogen wird – die Abschaffung der Grenzkontrollen war Eckpfeiler des Karfreitagsabkommens von 1998, mit dem der Nordirland-Konflikt beendet worden war.

Der Backstop sorgt dafür, dass entweder das ganze Vereinigte Königreich (so sieht es die momentane Variante vor) oder nur sein nordirischer Teil im regulatorischen Orbit der EU und innerhalb der EU-Zollunion verbleibt – dann nämlich muss die Verpflichtung zur Wiedereinführung der Kontrollen an der neu entstandenen EU-Außengrenze nicht schlagend werden. Für Brexit-Ultras kommt diese Abhängigkeit von Europa nicht infrage.

In seinem Brief forderte Johnson nicht näher definierte „alternative Vereinbarungen“, die die irische Rückfallklausel ersetzen und die Grenze frei passierbar machen sollen. Tusks Antwort fiel frostig aus: „Diejenigen, die gegen den Backstop sind und keine Alternativen vorschlagen, unterstützen die Wiedererrichtung einer Grenze.“ Am Mittwoch will Johnson bei Kanzlerin Angela Merkel vorsprechen, für den Donnerstag ist ein Treffen mit Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron angesetzt.

Für die Europäer geht es dabei nicht nur um Solidarität mit dem EU-Mitglied Irland, sondern auch um eine Versicherungspolizze, die ihren Binnenmarkt vor dem Brexit-Fallout schützen soll. Am Backstop führt aus mindestens drei Gründen kein Weg vorbei.

1 Ohne die irische Rückversicherung kann die EU ihren Markt nicht wirksam regulieren.

Eine offene irische Grenze ohne den Backstop bedeutet, dass die EU nicht gewährleisten kann, dass die Waren, die über Nordirland nach Irland (und damit auf den EU-Binnenmarkt) gelangen, den europäischen Regeln entsprechen. Nachdem die Brexit-Befürworter den Austritt mit der Aussicht auf Handelsabkommen mit Drittstaaten begründen, handelt es sich dabei keineswegs um eine unbegründete Sorge. So ließ etwa Malaysias Premier, Mahathir Mohamad, den Briten ausrichten, einen Deal mit dem südostasiatischen Tigerstaat werde es nur dann geben, wenn Großbritannien von der restriktiven Haltung der EU zu Palmöl abweicht – Brüssel stuft die Palmölindustrie als umweltschädigend ein. Auch die USA wollen, dass Großbritannien ihre Vorschriften zur Lebensmittelsicherheit übernimmt und beispielsweise hormonbehandeltes Rindfleisch als unbedenklich einstuft.

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