Britische Opposition vereinigt gegen Johnson

Jeremy Corbyn.
Jeremy Corbyn.(c) APA/AFP/DANIEL LEAL-OLIVAS (DANIEL LEAL-OLIVAS)
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Erstes Ziel ist Aufschub des EU-Austritts. Misstrauensvotum gegen Premier als „Nuklearoption“ zurückgestellt.

London. Mit vereinten Kräften wollen die britischen Oppositionsparteien ein Ausscheiden ihres Landes aus der EU verhindern. Nach einem Treffen in London erklärten die Widersacher des konservativen Premierministers, Boris Johnson, am Dienstag in London: „Wir sind uns einig über die Dringlichkeit, einen No Deal zu verhindern.“

Dass sich Labour, die Liberaldemokraten, die Scottish National Party, die walisische Plaid Cymru, die Grünen und die Tory-Splittergruppe Change UK überhaupt an einem Tisch zusammenfanden, wurde bereits als Erfolg gewertet. In der Stellungnahme sprang dann Labour, die mit Abstand größte Oppositionskraft, weit über ihren Schatten. Die Partei verzichtete auf ihre Forderung, erst ihren Chef Jeremy Corbyn an der Regierungsspitze zu installieren und dann einen harten Brexit zu verhindern.

Das dafür erforderliche Misstrauensvotum gegen Johnson wurde dafür vorerst als „Nuklearoption“ zurückgestellt. Stattdessen soll bei der Rückkehr des Parlaments aus der Sommerpause am kommenden Dienstag durch einen Mehrheitsbeschluss die Kontrolle über die Tagesordnung gewonnen werden. In einem zweiten Schritt will die Opposition dann ein Gesetz durchbringen, das eine Aussetzung des Brexit-Datums von derzeit 31. Oktober und eine Vereinbarung zwischen London und Brüssel vorsieht.

Angebot an gemäßigte Tories

Die Chancen für einen derartigen Schritt stehen besser als eine Übergangsregierung Corbyn, denn auch gemäßigte Konservative könnten nun mitgehen. Johnson hat selbst mit Duldung der nordirischen DUP nur eine Mehrheit von einer Stimme im Unterhaus. Größter Unsicherheitsfaktor sind abtrünnige Labour-Abgeordnete, von denen in der Vergangenheit bis zu 20 regelmäßig für den Brexit gestimmt haben. Ungerührt von der Erklärung der Opposition reagiert Johnson per Twitter: „Wir treten am 31. Oktober aus.“

Am heutigen Mittwoch trifft Johnsons Brexit-Sherpa David Frost in Brüssel zu „technischen Gesprächen“ ein. London will „Bewegung in der Rhetorik“ aufseiten der EU zu seiner Forderung nach einem Verzicht auf den „antidemokratischen“ Backstop für Nordirland entdeckt haben. Nächste Woche wird Johnson dann zu einem „entscheidenden Treffen“ in Dublin mit dem irischen Premier Leo Varadkar erwartet. (gar)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2019)

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