Schlüsselressort für Johannes Hahn

APA/HERBERT NEUBAUER
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Budget, Innen – oder etwas anderes? Österreichs Kommissar wird seine EU-Erfahrung zugute kommen.

Brüssel. 13 Frauen, 14 Männer, erstmals seit 1973 kein britisches Mitglied: so soll die neue Europäische Kommission aussehen, welche deren designierte Präsidentin, Ursula von der Leyen, am Dienstag zu Mittag in Brüssel vorstellen wird. Auch wenn die nationalen Regierungen kraft ihrer vorgeschlagenen Kandidaten der Präsidentin die versprochene Geschlechterparität verwehrten, werden diesem Kollegium so viele Frauen wie nie zuvor angehören.

Die letzte, erst am Montag beschlossene Anwärterin ist zugleich jene, die sich bei ihrer Anhörung im Europaparlament in der ersten Oktoberwoche auf den größten Widerstand gefasst machen muss. Rovana Plumb, die sozialdemokratische rumänische Ministerin für die Verwendung von EU-Fördergeldern, musste bereits in einer früheren Regierung im Oktober vor zwei Jahren von genau diesem Amt zurücktreten, nachdem Korruptionsvorwürfe gegen sie aufgekommen waren. Das Europaparlament kann nur die gesamte vorgeschlagene Kommissionséquipe annehmen oder ablehnen. Die Androhung eines solchen kollektiven Vetos hat in der Vergangenheit fast immer dazu geführt, dass zumindest ein umstrittener Kandidat ersetzt wurde.

Hahn ist der Dienstälteste

Mit solchen Unannehmlichkeiten muss Johannes Hahn nicht rechnen. Dem amtierenden österreichischen Kommissar ist sein drittes Mandat praktisch sicher, womit er neben dem Slowaken Maroš Šefčovič zum dienstältesten Mitglied dieses Kollegiums wird. Hahn hat sich in seinem Jahrzehnt in Brüssel, das er als Regionalkommissar begann und 2014 als Kommissar für Nachbarschaftspolitik und Erweiterung fortsetzte, Anerkennung als besonnener Vertreter jener konsensorientierten Politik erarbeitet, die unerlässlich ist, wenn man im komplizierten institutionellen Gestrüpp zwischen Rat, Parlament und Kommission einen Pfad zu Lösungen finden möchte. Starke Worte und kühne Visionen sind seine Sache nicht, Hahn kennt die Grenzen seines politischen Spielraumes. Auch hat er es sich, im Gegensatz zu manch einem seiner Kollegen im Kollegium, stets verbeten, innenpolitische Spielchen über die Brüsseler Bande zu betreiben.

Unlösbare Aufgabe

Das erklärt, wieso er im Vorfeld der Verkündung der Ressortverteilung am Dienstag für zwei gewichtige und diffizile Aufgaben genannt wurde: das Budget und Inneres.

Je nachdem, welche der seit Tagen in Brüsseler Kreisen unter der Hand und mit augenzwinkernder Diskretionsgeste herumgereichten Listen sich als korrekt erweisen wird, bekäme es Hahn entweder mit der Aufgabe zu tun, den angesichts des Brexit um rund zehn Prozent geschrumpften finanziellen Kuchen des EU-Budgets unter den Mitgliedstaaten zu verteilen, oder das im Ganzen unlösbar erscheinende Problem der Erneuerung des europäischen Asyl- und Migrationswesens in Teilreförmchen zu teilen, welche für die Mitgliedstaaten verdaulich sind (so hat das von der Leyen in ihren politischen Leitlinien angedeutet).

Das Innenressort klingt mächtig, ist es jedoch nicht: Die nationalen Innenminister achten peinlich darauf, der Kommission so wenig Spielraum wie möglich zu erlauben. In kaum einem anderen Politikfeld gilt diese Maxime so sehr wie hier: Die Kommission ist nur so stark, wie die Mitgliedstaaten sie sein lassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2019)

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