Kommt der "No-Deal-Brexit", droht ein Schottland-Referendum

Schottlands Erste Ministerin Nicola Sturgeon will Schottland erneut über die Unabhängigkeit abstimmen lassen, sollte Boris Johnson einen No Deal mit der EU zulassen.
Schottlands Erste Ministerin Nicola Sturgeon will Schottland erneut über die Unabhängigkeit abstimmen lassen, sollte Boris Johnson einen No Deal mit der EU zulassen.REUTERS
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Die schottische Regierung macht Druck auf Premier Johnson und rät der EU, Großbritannien einen Brexit-Aufschub zu gewähren. Kommissionspräsident Juncker fordert von London konkrete Vorschläge für die irische Grenze.

Als gebe es nicht schon genug Konflikte für Großbritanniens Regierungschef Boris Johnson. Der Brexit bringt einen alten Klassiker zurück: Schottland will im Falle eines ungeordneten Brexit nach Angaben seiner Regierungschefin Nicola Sturgeon die Unabhängigkeit anstreben. "Wir sollten dies dann im nächsten Jahr ins Auge fassen", sagte Sturgeon am Mittwoch in Berlin. In Straßburg erklärte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, dass es bei den Gesprächen mit dem britischen Premier Boris Johnson keine Fortschritte gegeben habe.

"Es ist zu diesem Zeitpunkt sehr schwierig zu sehen, wie Johnson sich mit der EU einigen will, so dass sowohl die EU zufrieden ist und er zugleich eine Mehrheit im Unterhaus bekommt", sagte Sturgeon, die in Berlin neben Regierungsvertretern nach Angaben ihres Sprechers auch Grünen-Chef Robert Habeck und CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus traf. Deshalb bleibe ein "No Deal" ein erhebliches Risiko.

Eine erneute Verschiebung des Austrittsdatums wäre immer noch besser als ein ungeregelter Austritt ("No Deal"), sagte Sturgeon, deren Scottish National Party (SNP) einen Brexit ganz ablehnt. Sie riet der EU, einer erneuten Verlängerung des Brexit-Datums zuzustimmen, sollte Großbritannien dies beantragen. Johnson versuche verzweifelt, die EU zur Schuldigen für einen Austritt ohne Vertrag zu machen, begründete sie ihre Position. Die Europäische Union sollte deshalb alles tun, um diese Schuldzuweisung zu vermeiden.

Auch im Falle einer Parlamentswahl werde die SNP nicht formell in eine Regierung in London eintreten. Falls die SNP Zünglein an der Waage bei einer Mehrheitsbildung würde, werde man aber weiter für das Ziel arbeiten, dass die Konservativen in die Opposition müssten und es keinen Brexit gebe.

Juncker fordert Lösungsvorschläge

Juncker forderte Johnson auf, schriftlich konkrete Alternativen für eine Regelung für die irische Grenze im Ausstiegsvertrag vorzulegen. "Solange derartige Vorschläge nicht vorgelegt worden sind, (...) kann ich Ihnen auch nicht sagen, dass diese Fragen geklärt sind", sagte Juncker im Europaparlament.

Hintergrund sind neue Ideen, wonach die britische Regierung zustimmen könnte, die Kontrollen über Tiere und Lebensmittel nach einem Brexit von der irisch-nordirischen Grenze an die Grenze zwischen Nordirland und Großbritannien zu verschieben. Dies könnte helfen, eine "harte" Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem zum Vereinigten Königreich gehörenden Nordirland zu vermeiden.

Juncker und EU-Chefverhandler Michel Barnier betonten am Mittwoch vor dem EU-Parlament in Straßburg, dass die EU immer noch ein Abkommen mit Großbritannien anstrebe. Das Risiko eines "No Deal" bleibe aber bestehen und sei "real", so Juncker.

Barnier fordert Garantien

Barnier erinnerte daran, dass es neben der Irland-Frage auch um die zukünftigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien gehe. "Wir alle wollen möglichst enge Beziehungen mit London", so Barnier, dazu benötige man allerdings juristisch brauchbare Lösungen. Das sei immer die Zielsetzung in den Verhandlungen gewesen. Ein künftiges Freihandelsabkommen brauche gemeinsame Garantien im sozialen Bereich, bei Umwelt- und Wettbewerbsbereich sowie bei der Frage der staatlichen Beihilfen, betonte Barnier.

"Wir wollten von Beginn an einen geordneten Austritt des Vereinigten Königreichs, das ist viel besser als ein 'No Deal'", versicherte Barnier. Die EU unterschätze jedenfalls nicht die Konsequenzen eines Austritts ohne Abkommen. Klar sei aber auch, dass sich "alle diese Fragen wie Bürgerrechte, die Aufrechterhaltung des Friedens in Irland und die Budgetfrage" dann erst Recht stellten.

Bereits 2014 hatte Schottland über die Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich abgestimmt und sich mehrheitlich dagegen entschieden. Im EU-Referendum 2016 sprach sich eine Mehrheit der Schotten für einen Verbleib des Vereinigten Königreichs in der EU aus.

(APA/Reuters)

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