Passkontrollen: Totale Blockade im Schengen-Streit

(c) EPA (OLIVIER HOSLET)
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Die Innenminister konnten sich sich nicht über den Vollbeitritt Bulgariens und Rumäniens einigen. Nun müssen Europas Führer den Zwist um das Ende der Passkontrollen der beiden Länder lösen.

Brüssel. Bulgaren und Rumänen müssen weiterhin den Reisepass vorweisen, wenn sie nach Westeuropa reisen, und Europas Staats- und Regierungschefs haben ein neues haariges Problem auf ihrer Agenda: Europas Innenminister schafften es am Donnerstag bei ihrem Ratstreffen in Brüssel nicht, sich über den Vollbeitritt Bulgariens und Rumäniens zu einigen.

Ein polnischer Kompromissvorschlag, schon im Herbst die Passkontrollen an den bulgarischen und rumänischen Flughäfen aufzuheben und über das Vorgehen an den übrigen Grenzübergängen im Verlauf des Jahres 2012 zu entscheiden, scheiterte am Veto Finnlands und der Niederlande. Damit wird Schengen ein Thema für den EU-Gipfel am 17. und 18. Oktober, auf dem sich Europas Spitzen in erster Linie mit der europäischen Wirtschafts- und Währungskrise hätten befassen wollen.

„Das ist nicht Solidarität“

„Zwei Mitgliedstaaten haben es heute unmöglich gemacht, eine Entscheidung über die Erweiterung der Schengen-Zone zu erzielen“, sagte Polens Innenminister Jerzy Miller, der das Ratstreffen leitete. „Das führt mich zu einer recht traurigen Schlussfolgerung über das gegenseitige Vertrauen zwischen den Staaten. Das ist nicht Solidarität, wie ich sie verstehe.“

Der Schengen-Raum des Reisens ohne Passkontrollen umfasst derzeit mit Ausnahme der beiden genannten sowie Großbritannien, Irland und Zypern alle EU-Staaten sowie die Nicht-EU-Mitglieder Norwegen, Schweiz und Liechtenstein. Bereits am 20. Juli war absehbar, dass die Tür für Bulgarien und Rumänien trotz der Erfüllung sämtlicher technischer Kriterien (zum Beispiel des Betriebs spezieller Datenbanken) auf lange Zeit geschlossen bleibt. Damals hat die Europäische Kommission festgestellt, dass die beiden im Jahr 2007 der EU beigetretenen Länder zu kleine Fortschritte bei der Schaffung einer ordentlichen Justiz und Verwaltung machen. Solche echten und dauerhaften Fortschritte sind aber seit Jahr und Tag die nicht verhandelbare Bedingung für die niederländische Regierung, dem Schengen-Beitritt der beiden Balkanländer zuzustimmen. „Stellen Sie sich vor, Sie hätten eine Tür mit acht der besten Sicherheitsschlösser der Welt. Aber vor dieser Tür steht jemand, der jedermann hineinlässt. Dann haben Sie ein Problem“, fasste der niederländische Zuwanderungsminister Gerd Leers am Donnerstag seine Haltung zusammen.

Griechisches Asylproblem

Die Position der österreichischen Regierung in dieser Frage ist zwiespältig: Man wäre einerseits für den stufenweisen Beitritt der beiden Länder zum Schengen-Raum, will andererseits aber mit Rücksicht auf die sehr kritische öffentliche Meinung im Land auch nicht zu laut als Unterstützer der Bulgaren und Rumänen auftreten. Und noch ein weiteres Problem an der Schnittstelle zwischen Grenzschutz und Asylwesen drängt nach einer Lösung.

Griechenland ist weder in der Lage, seine Grenze zur Türkei zu überwachen noch Flüchtlinge menschenwürdig zu betreuen. Am Donnerstag empfahl die zuständige Generalanwältin in einem Verfahren am Gerichtshof der EU in Luxemburg, dass die anderen EU-Staaten keine Asylwerber mehr nach Griechenland zurückschicken sollten. Dessen Asylwesen sei „infolge einer Überlastung unter hohem Druck“. Es sei nicht mehr gewährleistet, dass Asylanträge in Griechenland nach den EU-Vorschriften geprüft werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2011)

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