Massaker an US-Volksschule

Massaker USVolksschule
Massaker USVolksschule(c) REUTERS (MICHELLE MCLOUGHLIN)
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24-jähriger Täter läuft an der Sandy-Hook-Grundschule in Newtown Amok. Die Blutttat fordert mindestens 27 Todesopfer, darunter 18 fünf- bis zehnjährige Kinder. Die Nation rätselt über die Motive: ein Racheakt?

[WASHINGTON] Kerzenwachen, Gebete, Gedenkgottesdienste: Der Amoklauf des 24-jährigen Ryan L. in der Sandy-Hook-Grundschule in Newtown verwandelt die Vorweihnachtszeit im Nordosten der USA in eine Zeit der Trauer und Anteilnahme. 27 Tote, darunter 18 Kinder, die Direktorin und seine eigene Mutter, eine Lehrerin: So lautete am Freitagabend die vorläufige Bilanz des Schulmassakers in Connecticut.

Aus dem Weißen Haus wandte sich am Nachmittag (Ortszeit) Präsident Barack Obama, den Tränen nahe und emotional aufgewühlt, an die geschockte Nation. „Wir müssen alles tun, um solche Bluttaten in Zukunft zu verhindern." Er sprach den Angehörigen der Opfer sein Mitgefühl aus und sagte, er werde im Kreise seiner Familie - vor allem seiner beiden Töchter - ihrer gedenken.

Weggewischt waren mit einem Mal der Parteienzank um Steuererhöhungen und Budgetkürzungen, die die Hauptstadt seit Wochen in den Bann schlugen. Die Öffentlichkeit rätselt über die Motive für das Massaker in dem Neuengland-Städtchen, gerade einmal fünf Monate nach dem Blutbad, das der 24-jährige Student James Holmes bei einer Mitternachtspremiere von „Batman - The dark Knight rises" in Aurora (Colorado) angerichtet hatte. Damals fielen dem Täter zwölf Menschen zum Opfer. Holmes überlebte - im Gegensatz zu Ryan L.

Ganz in schwarz gekleidet

Um 9.41 Uhr vormittags ging der Notruf in Newtown ein: Ganz in schwarz gekleidet, eine Maske übers Gesicht gestülpt, hatte der Amokläufer das Feuer eröffnet. Augenzeugen zufolge leerte er die Magazine seiner zwei bis vier Waffen - die Angaben darüber gehen auseinander. Insgesamt soll er rund 100 Schuss abgegeben haben. Die Direktorin und ein Schulpsychologe hatten zuvor vergeblich auf ihn eingeredet. Als Sohn einer Lehrerin verschaffte er sich offenkundig einfach Zutritt zur Schule.

„Wir dachten, jemand habe etwas umgestoßen", schilderte ein Neunjähriger die Szenen in der Sandy-Hook-Schule, in der rund 700 Schüler eingeschrieben sind. „Dann hörten wir jemanden schreien, wir hörten Pistolenschüsse. Jemand sagte:,Nimm die Hände hoch. Nicht schießen.'" Danach hätten sie sich in Schränken im Turnsaal versteckt. Irgendwann sei jemand gekommen und habe sie aufgefordert, schnell in den Gang und ins Freue zu laufen. Eine Lehrerin habe ihnen gesagt, die Augen zu schließen.

Banges Warten der Eltern

Draußen warteten bereits die ersten Eltern, von der Polizei und den Schulbehörden per E-Mail alarmiert. Es war ein banges Warten. Teils blutüberströmt und in Panik strömten die Kinder auf den Schulhof, von den Eltern erleichtert in Empfang genommen. „Es war der schönste Moment in meinem Leben", sagte Brenda Lebinski, eine Mutter, laut Agenturberichten.

Für manche erfüllten sich indessen die schlimmsten Befürchtungen. Dan Malloy, der demokratische Gouverneur von Connecticut, war zur Schule geeilt, um den Eltern in ihrer bitteren Stunde beizustehen, als Polizeibeamte ihnen die Nachricht vom Tod ihrer Kindern überbrachten.

„Wie kann das bei uns passieren", fragten sich viele Bewohner in Newtown, einer Stadt von 27.500 Einwohner - wie immer bei solchen Anlässen. Und wie meist begann zaghaft eine Debatte über Waffenkontrolle bzw. den erschwerten Zugang zu Waffen. Präsident Obama plädiert zwar für einen Bann von automatischen Waffen, in seiner ersten Amtszeit hat er jedoch keinerlei Initiative ergriffen. New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg übte deshalb kürzlich auch heftige Kritik an ihm. Die US-Politiker fürchten die Macht der Waffenlobby NRA. Seit der Wahl ist der Waffenkauf in den USA sogar noch gestiegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2012)

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