Amerika im Zeichen des Regenbogens

Amerika Homosexuellen-Ehe
Amerika Homosexuellen-Ehe(c) EPA (MICHAEL REYNOLDS)
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Der Oberste Gerichtshof müht sich mit der Frage der Homosexuellen-Ehe. Das Volk dagegen hat seine Einstellung erstaunlich rasch geändert.

Washington. Die zweitägigen Verhandlungen vor dem Obersten Gerichtshof der USA über die Anerkennung der Ehe von gleichgeschlechtlichen Paaren haben gezeigt, wie rasch der gesellschaftliche Wandel Amerikas voranschreitet – und wie die ehrwürdigen Institutionen dieser Republik den Bürgern hinterherstolpern.

Die neun Höchstrichter, deren Durchschnittsalter über 65 Jahren liegt, haben über ein Phänomen zu urteilen, das es seit nicht einmal zehn Jahren gibt und das noch vor fünfzehn Jahren die klare Mehrheit der Amerikaner abgelehnt hat. In zwei voneinander unabhängigen Streitfällen haben sie ein Geflecht an Argumenten und Beweggründen abzuwägen, dessen Quintessenz sich auf zwei einfache Fragen reduzieren lässt: Haben erwachsenen Amerikaner ein privates Recht zu heiraten, wen sie wollen? Oder ist die Ehe ein staatlich sanktioniertes Vehikel, um die Zeugung von Kindern in einem traditionellen Familienverband von Mann und Frau zu fördern?

Am Dienstag wurde der erste der beiden Streitfälle verhandelt. Er betraf die sogenannte „Proposition 8“, ein im Jahr 2008 in Kalifornien per Volksabstimmung durchgesetztes Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen. Bis dahin hatten die kalifornischen Rathäuser bereits ein halbes Jahr lang Ehen homosexueller Paare geschlossen. Die Regierung von Kalifornien ist ebenso wie das Höchstgericht dieses Bundesstaates der Meinung, dass man solche diskriminierenden Verbote nicht einfach per Volksabstimmung einführen kann. Das verstoße gegen die US-Verfassung, und darum liegt die Causa nun vor dem Supreme Court.

Und dem wäre es am liebsten, wenn er den Fall sofort wieder nach Kalifornien zurückverweisen könnte. Die Richter gaben während der rund neunzigminütigen Anhörung am Dienstag klar zu erkennen, dass sie den Streit um „Proposition 8“ nicht in der Sache selbst entscheiden wollen. Ihr Urteil, das im Juni fallen dürfte, wird also kaum neue inhaltliche Rechtsargumente für oder gegen eine US-weite Anerkennung der Homosexuellen-Ehe liefern.

„Neuer als das Internet“

Doch die Richter gaben in ihren Fragen auch zu erkennen, wie schwer sie sich mit dem Wandel der gesellschaftlichen Einstellungen tun, die die Debatte unterfüttern. „Sie wollen von uns, dass wir einschreiten und eine Entscheidung auf Basis der Bewertung dieser Einrichtung fällen, die neuer ist als das Internet oder Mobiltelefone?“, bemerkte Richter Samuel Alito, einer der Konservativen auf der Richterbank.

Der zweite Streitfall betrifft ein Bundesgesetz aus dem Jahr 1996, das die Ehe ausschließlich als Verbindung von Mann und Frau definiert. Dieser „Defense of Marriage Act“ hat zur Folge, dass gleichgeschlechtliche Ehepartner von Bundesbediensteten bei der Krankenversicherung oder Steuerbemessung gegenüber heterosexuellen Paaren benachteiligt werden. Und das, obwohl nach dem Recht mehrerer Bundesstaaten solche Ehen erlaubt sind.

Reumütiger Clinton

US-Präsident Bill Clinton hatte dieses Gesetz still und heimlich mitten in der Nacht unterzeichnet, um seine Wiederwahl nicht zu gefährden. Der Zorn seiner homosexuellen Freunde und Anhänger traf ihn hart. Seit Jahren quält Clinton das schlechte Gewissen, vor einigen Tagen forderte er den Gerichtshof auf, das Gesetz verfassungswidrig zu erklären.

Die Amerikaner sehen das zusehends auch so. Noch vor zehn Jahren waren in einer Pew-Umfrage 58 Prozent gegen und 33 Prozent für die Gleichstellung homosexueller Paare; heute sind 49 Prozent dafür und 44 dagegen. Und immer mehr Konservative ändern ihre Meinung; Rob Portman etwa, ein Senator und möglicher Präsidentschaftskandidat, war bisher streng dagegen – bis er erfuhr, dass sein Sohn schwul ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2013)

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