Feuertod in russischer Psychiatrie

Feuertod  Psychiatrie
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37 Menschen starben in der Nacht auf Freitag, als in einer Klinik ein Brand ausbrach. Der unvorsichtige Umgang eines Patienten mit Feuer dürfte die Ursache für den Unfall in dem Heim gewesen sein.

Moskau/Apa/Dpa. Julia Anufrijewa ist die tragische Heldin dieser Unglücksnacht, die 37 Menschen in einer psychiatrischen Klinik in Russland das Leben kostete: In der Nacht auf Freitag war in dem 200 Jahre alten Holzgebäude in dem Ort Malaja Wischera, etwa 500 Kilometer von Moskau entfernt, ein Feuer ausgebrochen. Die Pflegerin Anufrijewa konnte noch 23 Patienten aus dem brennenden Gebäude retten – und wurde dann von einem Balken erschlagen. Die 44-jährige Frau hinterlässt vier Kinder.

Das Unglück dürfte von einem Patienten ausgelöst worden sein, der vermutlich mit offenem Feuer gespielt hat, teilten die Rettungskräfte mit.

Bilder des russischen Fernsehens zeigten Dutzende Leichensäcke vor der verkohlten Ruine. Die nächtliche Evakuierung der im Jahr 1810 erbauten Klinik sei sehr schwierig gewesen, sagte der Arzt Igor Bulanow. „Viele Patienten sind bettlägrig und sehbehindert.“ Einige Kranke seien von Medikamenten betäubt gewesen. „Manche Opfer – wenn wir sie denn in den Trümmern finden – müssen wir wohl begraben, ohne ihre volle Identität zu kennen.“

Zum Zeitpunkt des Unglücks sollen sich 59 Patienten und ein Pfleger in dem flachen Holzgebäude aufgehalten haben. Die Behörden hätten mehrfach Brandschutzmängel beklagt und dringend einen Umzug in eine moderne Klinik empfohlen.

Im trüben Ozean der Bürokratie

„Diese Tragödie sollte endlich Anlass zu einer Reform in psychiatrischen Einrichtungen sein“, sagte der Menschenrechtsbeauftragte der Regierung, Wladimir Lukin. Vorschläge für eine systematische und effektive Kontrolle lägen seit Langem vor. „Aber sie versinken im trüben Ozean der russischen Bürokratie“, kritisierte Lukin. Russische Psychiatrien haben einen furchtbaren Ruf. Patienten würden meist ruhiggestellt, und viele Medikamente seien veraltet, beklagen Experten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2013)

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