Kuba: Die Amerikaner kommen

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Seit Kuba für US-Bürger nicht mehr verboten ist, hofft so mancher Kubaner auf das große Geschäft mit den ehemals verhassten Imperialisten. Aber etwas Skepsis bleibt.

Ein bisschen misstrauisch ist Milan schon, was die Amerikaner angeht. „Sie sind irgendwie seltsam“, sagt der 40-Jährige mit dem sonnenverbrannten Gesicht, während er seinen Hengst Ranchero durch die brütende Hitze der Stadt Cienfuegos lenkt. „Sie reden nichts mit einem. Keine Ahnung, was denen gesagt wird, bevor sie herkommen.“

An den schmutzigen Straßen, in deren Schlaglöchern Wasser vom letzten Regenguss steht, an dem Geruch nach Müll, der sich mit jeder ersehnten Böe den Weg zwischen die heruntergekommenen Kolonialfassaden bahnt, an den Ziegen, die vor überquellenden Mülltonnen Grasbüschel rupfen, dürfte es nicht liegen: Touristen kutschiert Milan hier normalerweise nicht durch. Sie sollen die schönere Seite des Städtchens sehen, das nur zufällig so heißt, wie Camilo Cienfuegos: jener dritte Revolutionär, der auf Kuba genauso verehrt wird wie der Che und der sieche 89-jährige Revolutionsführer Fidel Castro. (Der tritt seit Jahren so selten öffentlich auf, dass Gegner immer wieder spekulieren, ob er denn überhaupt noch lebt.)

Hier, im Viertel Reina, gefühlt ewig weit weg vom Unesco-gewürdigten Zentrum der Stadt, leben die Bewohner vom Fischen. Und vom Tourismus, wie eben Milan. Deshalb ist er trotz aller Skepsis auch voller Erwartung, was die Amerikaner angeht. „Hoffentlich kommen sie“, sagt er. Am besten wäre es, im Hafen von Cienfuegos würden demnächst US-amerikanische Kreuzer landen. „Denn dann kommt das Geschäft ein bisschen in die Gänge.“

Tatsächlich stehen die Kreuzfahrtanbieter schon in den Startlöchern. Fähren sollen im Dezember die nur 150 Kilometer zwischen Miami und Havanna bewältigen. Erst diese Woche gab Kuba bekannt, dass man die baldige Eröffnung regulärer Flugverbindungen zwischen den beiden Ländern erwartet. Seit US-Präsident Barack Obama und der kubanische Staatschef Raúl Castro vergangenen Dezember nach mehr als einem halben Jahrhundert eine diplomatische Annäherung einläuteten, dürfen US-Bürger das für sie jahrzehntelang quasi verbotene Land zumindest eingeschränkt bereisen. Auch wenn Reisen zum puren Vergnügen offiziell immer noch nicht erlaubt sind, ist die Zahl der amerikanischen Touristen bereits deutlich gestiegen. Darunter sind auch Promis, zuletzt etwa spazierte Rolling-Stones-Frontmann Mick Jagger durch die Hauptstadt Havanna.

Der Tourismus ist für viele Kubaner die einzige ernsthafte Einnahmequelle. Mit drei Millionen Besuchern im Vorjahr boomt er; auch viele Europäer wollen Kuba noch sehen, bevor die Insel, wie sie befürchten, wieder zur Vergnügungsmeile der US-Amerikaner wird. Der in kubanischen Pesos ausbezahlte Durchschnittslohn liegt bei umgerechnet 18 Euro pro Monat. Mit dieser überschaubaren Summe kann man sich vieles nicht leisten: Nicht nur Fernseher oder Handys, auch manche Hygieneartikel und Lebensmittel wie Butter oder Käse bekommt man nur für die Devisenwährung Pesos Convertibles. Zu denen man kommt, wenn man Taxi fährt, Souvenirs verkauft, Privatzimmer vermietet, irgendetwas mit Touristen eben.


Leggings mit US-Flagge. Manche träumen jetzt vom großen Geschäft mit den Amerikanern, sagt Reiseführer René. Und manche zeigen das auch ziemlich deutlich: Der Fahrradtaxifahrer, der die US-Flagge aufgezogen hat – sicherheitshalber neben zwei kubanischen –, ist nicht der einzige, der das so nach außen trägt. Auch in dem einen oder anderen der x-fach geflickten und lackierten alten Buicks, Chevrolets und Fords, die durch die Straßen Havannas scheppern, baumelt die Flagge des einstigen Erzfeinds. Sogar Leggings im kompletten Stars-and-Stripes-Design entdeckt man im Menschengewühl in der Nähe des Kapitols, das – wie vieles – gerade renoviert wird. In dem Gebäude, treffenderweise einem Zwilling des US-Kapitols in Washington, soll bald wieder der Kongress tagen, wie in vorrevolutionären Zeiten. Einige Straßen weiter, in einer staubigen Werkstatt, dominieren wiederum die Bedenken. Der 75-jährige Tischler, der da vom Schaukelstuhl bis zum Bettgestell alles repariert, hat die Zeit vor der Revolution noch erlebt. Vor Postern von Fidel und Raúl erzählt er, wie er von US-Soldaten verprügelt wurde, irgendwann in den Fünfzigerjahren, als kleiner Bub in seiner Heimatstadt Guantánamo im äußersten Osten der Insel. Es ist nicht ganz schlüssig, was der zahnlose Alte schildert, aber eines ist klar: Mit den Amerikanern verbindet er nichts Gutes.


Streitpunkt Guantánamo. Guantánamo ist überhaupt so ein Thema: Trotz des diplomatischen Tauwetters ist der aus kubanischer Sicht illegale Marinestützpunkt ein Streitpunkt zwischen den USA und Kuba. So, wie das Embargo, über das erst Ende Oktober in der UNO-Vollversammlung zum inzwischen 24. Mal abgestimmt wurde; nur Israel und die USA votierten dagegen. Die völlige Abschaffung der „Blockade“, wie die inzwischen aufgeweichten Sanktionen auf Kuba genannt werden, scheitert an den Republikanern im US-Kongress.

Das ultimative Symbol für die USA ist jedenfalls trotz Embargo inzwischen auf der Karibikinsel angekommen: In manchen Restaurants wird tatsächlich Coca-Cola serviert – und zwar nicht die sozialistische Kopie „tuKola“, sondern das kapitalistische Original, das – wie auf der Dose ersichtlich ist – aus Mexiko hierher gelangt. „Das ist halt ein Geschäft“, sagt dazu der Kutscher Milan in Cienfuegos. „Mir ist das egal. Ich habe eh nicht das Geld, um mir eines zu kaufen.“ Vielleicht ändert sich das ja mit den Amerikanern.

Die Reise nach Kuba erfolgte auf Einladung von TUI und Condor.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2015)

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