Westafrika ertrinkt im Regen: 200.000 obdachlos

(c) EPA (Isa Lang)
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Eine ungewöhnlich heftige Regenzeit sucht vor allem Burkina Faso heim. Hier gab es zuletzt laut Meteorologen die heftigsten Regenfälle seit 90 Jahren, mehr als 150.000 Menschen verloren ihre Wohnungen.

OUAGADOUGOU/AGADEZ (ag.,red.).Schwere Regenfälle sind in den Staaten Westafrikas südlich der Sahara – etwa Nigeria, Guinea und Burkina Faso – eigentlich nicht ungewöhnlich. Immerhin herrscht derzeit dort auch die Regenzeit, und so ein richtiger afrikanischer Starkregen stürzt im Allgemeinen wie ein Wasserfall aus dem Himmel herab.

Was sich aber derzeit in der Region zwischen Senegal und der Zentralafrikanischen Republik abspielt, ist selbst für die Einheimischen überraschend: In 16 Staaten wurden in den vergangenen Tagen mindestens 200.000 Menschen obdachlos, nachdem Überflutungen durch ungewöhnlich heftigen Regen ihre Häuser überschwemmt hatten. Mindestens 40 Menschen sind bisher umgekommen.

Brücken und Dämme zerstört

Besonders betroffen ist das 14-Millionen-Land Burkina Faso, wo die südlichen Ausläufer der Sahara-Trockenzone über Savannen in eine feuchte tropische Region übergehen: Hier gab es zuletzt laut Meteorologen die heftigsten Regenfälle seit 90 Jahren, mehr als 150.000 Menschen verloren ihre Wohnungen. „Wir konnten immerhin für 110.000 Personen Notunterkünfte bereitstellen“, sagte Premierminister Tertius Zongo.

Im Umkreis der Hauptstadt Ouagadougou wurden laut westlicher Hilfsgruppen Brücken durch anschwellende Bäche zerstört, Dämme bekamen Risse, das größte Krankenhaus wurde unter Wasser gesetzt, Dutzende Patienten mussten in andere Gebäude verlegt werden. Durch die Zerstörung eines Elektrizitätswerkes gibt es massive Probleme mit der Stromversorgung in der Stadt.

Kaum ein Land ist ärmer

Dabei ist Burkina Faso sowieso eines der ärmsten Länder der Welt: Auf dem Entwicklungsindex der UN von 2008, der BIP pro Kopf, Lebenserwartung und Bildungsgrad kombiniert, liegt die frühere französische Kolonie Obervolta auf Rang 176 von 177 untersuchten Ländern; dahinter ist nur Sierra Leone. Neben Landwirtschaft zur Selbstversorgung gibt es nur etwas Bergbau, 80Prozent der Bevölkerung leben von weniger als zwei US-Dollar am Tag.

Heftig getroffen vom Regen wurden auch große Teile des Niger, des östlichen Nachbarn von Burkina Faso. Dort ist es bis auf einen Landstrich im Süden vorwiegend versteppt bis wüstenhaft, doch in Agadez, der berühmten Wüstenstadt im Zentrum von Niger, wurden hunderte Familien durch schweren Regen obdachlos.

Wüstenstadt unter Wasser

Der Regen hatte einen ansonsten weitgehend ausgetrockneten Flusslauf gefüllt, die Wasser drangen in die Stadt ein, zahlreiche der meist aus Lehm gebauten Häuser stürzten ein. Bewohner der Stadt, die ein uralter Handelsstützpunkt für Karawanen ist, sprachen von der größten Katastrophe in der Geschichte der Region.

Die Regenzeit dauert in den Regionen Westafrikas unterschiedlich lang: In der nördlicheren Gegend der Sahelzone etwa von Juni oder Juli bis September, im Südsudan und Tschad von Mai bis Oktober, in den Küstengebieten gibt es sogar zwei Regenzeiten.

In den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu größeren Erdrutschen und Überschwemmungen in Westafrika. 2007 waren deswegen mehr als 700.000 Menschen zeitweise obdachlos.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2009)

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