Radioaktive Wolke über Europa gibt Experten Rätsel auf

Experten schließen einen Atomunfall aus.
Experten schließen einen Atomunfall aus.(c) REUTERS (� Gleb Garanich / Reuters)
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Seit Jänner breiten sich radioaktive Jod-Partikel in Europa aus - auch in Österreich. Es bestehe keinerlei Gefahr, sagen Experten. Doch es ist unklar, woher die Strahlung kommt.

Eine mysteriöse Wolke radioaktiven Jods, die sich seit ein paar Wochen in Teilen Europas verbreitet, gibt Strahlenexperten Rätsel auf. Zunächst hatten Forscher des Ring of Five, eines europäischen Netzes von Strahlenexperten, in der zweiten Jännerwoche geringe Mengen des Radionukleids Jod-131 im äußersten Norden Norwegens entdeckt. Bis Ende Jänner wurden die Partikel auch in Finnland, Polen, Tschechien, Deutschland, Frankreich und Spanien gemessen - zuletzt selbst in Österreich.

Dabei habe es sich um eine "ganz, ganz geringe Menge gehandelt", sagte Magdalena Rauscher-Weber, Ressortsprecherin im Umweltministerium, am Dienstag. "Es bestand zu keiner Zeit Gesundheitsgefahr." Die Jod-Belastung war demnach geringer als die natürliche Strahlenbelastung. Sie sei in einer Einzelmessung nicht nachweisbar, nur in einer Sammelmessung über den Zeitraum von einer Woche.

So habe die Konzentration des radioaktiven Jods in der Luft etwa in Frankreich 0,31 Mikrobecquerel pro Kubikmeter Luft nicht überstiegen, teilte das französische Institut für Strahlenschutz IRSN mit. Das sei tausend Mal weniger als die Strahlenbelastung nach der Nuklearkatastrophe in Fukushima im Jahr 2011.

Atomunfall sei "Unsinn"

Weitaus beunruhigender als die radioaktiven Partikel in der Luft ist, dass niemand den genauen Ursprung der Radionukleide kennt. Jod-131 hat eine Halbwertszeit von rund acht Tagen. Es muss also vor kurzer Zeit freigesetzt worden sein, teilte IRSN in einer Aussendung mit. Sonst wäre eine Messung nicht möglich gewesen.

Die Zahlen geben die Jod-131-Werte in Mikrobecquerel pro Kubikmeter an. Die Daten in Klammer beziehen sich auf den Messzeitraum.
Die Zahlen geben die Jod-131-Werte in Mikrobecquerel pro Kubikmeter an. Die Daten in Klammer beziehen sich auf den Messzeitraum.IRSN

Es sei davon auszugehen, dass die Teilchen über die Atmosphäre nach Europa transportiert worden seien, sagte ein Sprecher der tschechischen Strahlenschutzbehörde SJUB am Dienstag. Im Moment tippen die Forscher darauf, dass das Jod in Osteuropa freigesetzt worden ist. Es sei allerdings wegen des schlechten Wetters schwer, die Herkunft genau zurückzuverfolgen, meinte eine Sprecherin des norwegischen Strahlenschutzes.

Spekulationen über einen Unfall in einem Atomkraftwerk nannte die tschechische SJUB jedoch "Unsinn". Denn, wenn es einen Zwischenfall wie in Tschernobyl oder Fukushima gegeben hätte, wären auch andere Substanzen wie Caesium freigesetzt worden.

Spekulationen über russischen Atomtest

Noch eine andere Theorie stand lange im Raum: Es gab Befürchtungen, dass Russland auf der Doppelinsel Nowaja Semlja im Nordpolarmeer einen nuklearen Sprengsatz getestet haben könnte. Britische Medien berichteten, dass die US-Luftwaffe daher ein Spezialflugzeug vom Typ WC-135 nach England entsandt habe, das radioaktive Partikel in der Atmosphäre messen kann.

Die Organisation des Vertrags über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBTO) wies diese Spekulationen in einer Aussendung am Montag jedoch zurück. Auch in diesem Fall wären außer dem Jod-131 auch andere radioaktive Teilchen gemessen worden, teilte sie mit.

Denkbar sei laut der norwegischen Strahlenschutzbehörde ein Problem bei einem Hersteller von radioaktiven Medikamenten, wie sie in der Strahlentherapie eingesetzt werden. Denn Jod-131 werde auch in der Krebstherapie verwendet. Für diese Theorie spricht ein ähnlicher Vorfall im Jahr 2011. Auch damals wurde in mehreren europäischen Ländern radioaktive Strahlung gemessen, die lange nicht erklärt werden konnte. Eine zufällig vergangene Woche veröffentlichte Studie konnte beweisen, dass das Jod-Leck damals aus einem fehlerhaften Filtersystem eines Medikamentenherstellers in Ungarn stammte, das radioaktive Isotope für medizinische Zwecke herstellt.

>>> Bericht in der britischen Daily Mail.

>>> Bericht der Plattform Euractiv.

>>> Stellungnahme des französischen IRSN.

>>> Stellungnahme des CTBTO.

>>> Bericht in ScienceAlert.

>>> Zur Studie über das Jod-Leck 2011.

(APA/dpa/red.)

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