Mexiko: Gericht spricht Vergewaltiger frei, weil er keinen Spaß hatte

Eine Aktivistin hängt Plakate von Gewaltopfern auf.
Eine Aktivistin hängt Plakate von Gewaltopfern auf.(c) REUTERS (� Henry Romero / Reuters)
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Der 21-Jährige habe ohne "sexuellen Vorsatz" gehandelt, argumentiert der Richter im mexikanischen Veracruz. Der Fall gilt als Symbol für das Versagen der Justiz.

Eigentlich wollte die 17-jährige Mexikanerin nur ausgelassen das neue Jahr begrüßen, doch der Abend endete für die Schülerin einer katholischen Eliteschule in Schrecken: Sie wurde von dem zwei Jahre älteren Mitschüler Diego Cruz und drei weiteren Kollegen sexuell missbraucht. Am Montag sprach ein Richter Cruz, der aus einer wohlhabenden Familie stammt, frei. Die Begründung: Die Vergewaltigung habe dem Angreifer keinen Spaß gemacht.

Der Vorfall ereignete sich 2015 in Boca del Rio, in dem Küstenstaat Veracruz. Cruz soll seine Schulkollegen an den Brüsten berührt und mit seinen Fingern penetriert haben. Dennoch habe der Angeklagte ohne "sexuellen Vorsatz" gehandelt, argumentierte Richter Annuar Gonzáles. Gonzáles bestätigte zwar, dass dem Opfer das Handy abgenommen worden und es in ein Auto eines der jungen Männer gezerrt worden war. Sie sei aber zu keinem Zeitpunkt "hilflos" gewesen. Zwei der mutmaßlichen Mittäter sollen das Mädchen vergewaltigt haben.

Der Freispruch von Cruz, der zwischenzeitlich nach Spanien geflohen war, später nach Mexiko ausgeliefert wurde, sorgte für einen Aufschrei mexikanischer Menschenrechtsorganisationen, berichtet der "Guardian". Er gilt als Symbol für das Versagen der Justiz bei sexuellen Missbrauchsfällen ebenso wie für die Straffreiheit der mexikanischen Elite.

Aufarbeitung bewusst hinausgezögert

Zusätzlich sei die Aufarbeitung des Falles lange hinausgezögert worden, berichtet die "Los Angeles Times" - selbst nachdem der Vater des Mädchens ein Video mit einem angeblichen Geständnis der Gruppe veröffentlicht hatte. Kritiker tauften die Verdächtigen nachher "Los Porkys" - eine Anspielung auf einen Film aus dem Jahr 1981, der die sexuellen Eskapaden einer High-School-Gang beschreibt.

"Er hat sie sexuell berührt, aber weil er keinen Spaß hatte, ist es kein sexueller Missbrauch?", fragte die Frauenrechtlerin Estefanía Vela Barba. "Auch wenn kein Vergnügen dabei war, war es doch ein bewusster Akt der Demütigung." Das Urteil sei verheerend, denn der Richter stelle damit klar, dass eine Berührung ohne beiderseitiges Einverständnis kein Missbrauch sei.

Auch der Vater reagierte in einem Radiointerview entsetzt auf das Urteil, berichtet die "Los Angeles Times". "Stellen Sie sich vor, dass jeder Erwachsene irgendjemand anderen, egal welchen Alters, berühren kann, und dann damit davon kommt, weil sein Akt nicht lüstern sei und er keine sexuelle Intention gehabt habe."

"Ich wusste, dass sie uns enttäuschen"

Das Gerichtsurteil sorgte nicht zuletzt für Kritik, weil sich der Staat Veracruz in den vergangenen Monaten zu einem Sinnbild für das Versagen der Behörden entwickelte, Rechtssicherheit zu garantieren. So kam es im Krieg der Drogenkartelle immer wieder zu schwersten Verbrechen und Entführungen. Mehr als 1000 Frauen gelten in Veracruz als vermisst, Anfang des Monats wurden mehr als 250 menschliche Schädel in einem Massengrab entdeckt, das mutmaßlich von einem Drogenkartell eingerichtet wurde.

"Das letzte, was das mexikanische Justizsystem bereitstellt, ist Gerechtigkeit", sagte der Vater der heute 19-Jährigen vergangenes Jahr in einem Interview mit dem Magazin "New Yorker". "Ich wusste, dass sie uns enttäuschen werden".

>>> Bericht im "Guardian".

>>> Bericht in der "Los Angeles Times".

(red.)

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