Cyber-Mobbing quält Teenager

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Beschimpfungen, üble Nachrede, Lügen und Erpressung übers Internet und soziale Medien setzen Kindern und jungen Leuten zusehends zu – und das wohl nicht nur in Deutschland.

Berlin. Eigentlich hat man's immer schon geahnt, dass das einmal so kommen würde, darf man heute rückblickend feststellen: Nämlich, dass das Internet, das ab Mitte der 1990er der breiten Masse zugänglich wurde, und die später darin entstandenen Kommunikationsplattformen eine Spielwiese für Aggressionen bieten würden. Und für Bösartigkeiten, destruktive Massenexzesse und Hexenjagden (vulgo „Shitstorms“) sowie für sonstige Übel, die bis an und über die Grenze des Kriminellen gehen.

Also ergab nun eine jüngst in Deutschland durchgeführte Studie, dass Beschimpfungen, Lügen, Erpressungsversuche, ja Cybermobbing generell für junge Erwachsene, Jugendliche und sogar Kinder ein beträchtliches Problem darstellen und sie belasten.

Etwa jeder achte Befragte (13 Prozent) zwischen zehn und 21 Jahren gab dabei an, Opfer von Attacken im Internet gewesen zu sein, wie das „Bündnis gegen Cybermobbing“ am Dienstag in Berlin mitteilte. Für die Studie waren neben Eltern und Lehrern gut 1500 Schüler interviewt worden.

Im Vergleich zu einer Studie von 2013 sei der Anteil der Betroffenen zwar von rund 16 Prozent auf 13 Prozent leicht gesunken. Heute würden die Angriffe aber oft gezielter, härter und rücksichtsloser durchgeführt.

20 Prozent dachten an Suizid

Fast jeder siebte Schüler gab umgekehrt zu, selbst schon andere per Internet gemobbt zu haben. „Mädchen werden dabei oft als Schlampen diffamiert und Buben in die Homo-Ecke gedrängt“, so Catarina Katzer, Leiterin des Instituts für Cyberpsychologie und Medienethik in Köln. Die Dramatik zeige sich schon daran, dass rund 20 Prozent der Befragten infolge von Online-Aggressionen schon einmal an Suizid gedacht hätten. Das Bündnis fordert deshalb ein Gesetz gegen Cybermobbing, ein Schulfach „Medienerziehung“ und mehr Selbstkontrolle der Online-Plattformen wie Facebook, YouTube und Twitter.

Jeder Vierte klagte über klassische Mobbing-Attacken bis hin zu Rufschädigung, Ausgrenzung, Nachstellungen und der in die Realität umgesetzten mutwilligen Zerstörung von Sachen. Vielfach geht es ums Verbreiten von Lügen und Gerüchten, das Veröffentlichen privater Fotos und Erpressungsversuche. Auch das Phänomen der Fake-Profile blüht: Dabei legt jemand ein Benutzerprofil in fremdem Namen an und verbreitet Aggressionen und Unflätigkeiten, wodurch die reale Person kompromittiert wird.

„Terror schon in Volksschule“

Rund 20 Prozent der Täter waren zuvor selbst Opfer von Attacken gewesen. Fast die Hälfte der Täter nannte als Motiv „Reaktion“ auf einen Sachverhalt, etwa, weil man Ärger mit der Zielperson habe. Ein Fünftel schwört Rache für ein anderes Cyber-Opfer. Rund 20 Prozent trieben Online-Attacken „nur zum Spaß“. Rund jeder Zehnte mobbte, weil er sich einem anderen Aggressivling anschloss oder andere ja auch mobben würden.

Die meisten Fälle gab es an Berufsschulen (26 Prozent), Hauptschulen (16%) und Realschulen (14%; entsprechen vom Alter her Hauptschulen, Mittelschulen und AHS-Unterstufen in Österreich, Anm.). Aber: „Der Terror beginnt schon in der Volksschule“, sagte Uwe Leest, Leiter des Bündnisses.

Fast zwei Drittel der Opfer fühlen sich ernstlich verletzt. 36 Prozent spüren Angst. Lehrer beobachten bei Opfern neben gedrückter Stimmung und Angstzuständen einen Leistungsabfall, Konzentrationsprobleme, Verschlossenheit, häufiges Fehlen im Unterricht sowie Kopf- und Magenschmerzen.

Eltern unterschätzen die Zeit, die ihre Kinder im Netz zubringen. Während Schüler im Schnitt drei Stunden pro Tag angeben, gehen ihre Eltern von zwei- bis zweieinhalb Stunden aus. Nur zehn Prozent der Kinder und Jugendlichen berichten, ihre Eltern hätten ein Auge auf ihr Internetverhalten. Die Umfragedaten in Österreich und anderswo dürften nicht sehr viel anders aussehen. (dpa/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2017)

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