Irma hat eine Schneise der Zerstörung durch die Karibik geschlagen und mehrere Menschen in den Tod gerissen. Der Wirbelsturm wurde zwar herabgestuft, gilt aber weiter als "extrem gefährlich".
Die Zahl der Toten durch den Hurrikan Irma ist auf mindestens 13 gestiegen. Während der Wirbelsturm mit unverminderter Wucht durch die Karibik in Richtung Kuba und Florida fegte, wurden mindestens vier Menschen auf den Jungferninseln getötet, wie Behördenvertreter am Donnerstag mitteilten. Mindestens zwei Todesopfer wurden aus Puerto Rico gemeldet. In den französischen Überseegebieten werden Menschen vermisst: "Es gibt eine gewisse Anzahl, die als vermisst gelten", sagte Frankreichs Überseeministerin Annick Girardin Freitagfrüh, ohne die Anzahl der Vermissten zu nennen.
Mittlerweile hat der Hurrikan zwar etwas an Stärke verloren, weshalb ihn das Nationale Hurrikan-Zentrum (NHC) am Freitag auf die zweithöchste Stufe vier herabstufte. Das NHC nennt Irma aber weiterhin "extrem gefährlich". Der Sturm zog demnach mit Windgeschwindigkeiten von 250 Stundenkilometern in Richtung Florida.
"Es herrscht totales Chaos"
Die Not auf der schwer getroffenen niederländisch-französischen Karibikinsel Saint-Martin ist nach Angaben der niederländischen Regierung riesig. "Den Inselbewohnern fehlt es an den wichtigsten Lebensgrundlagen", sagte Ministerpräsident Mark Rutte am Freitag in Den Haag nach einem Treffen des Krisenstabs. "Es herrscht totales Chaos." Auf dem notdürftig reparierten Flugplatz des niederländischen Inselteils Sint Maarten könnten zur Zeit nur Militärmaschinen landen. Der Seehafen sei nur für Marineschiffe erreichbar. Zwei niederländische Marineschiffe brachten Wasser, Nahrung und andere Hilfsgüter. Weitere Transporte mit Zelten, Medikamenten und Decken sollten folgen.
135 Soldaten sind den Angaben zufolge bereits auf dem niederländischen Teil der Insel eingetroffen, um bei Aufräumarbeiten zu helfen. Weitere 100 sollten am Samstag ankommen. "Wir lassen Sint Maarten nicht im Stich", sagte Rutte. Über die Zahl der Opfer ist noch wenig bekannt. Bislang war von einem Todesopfer berichtet worden. Sint Maarten gehört mit rund 40.000 Einwohnern als autonomes Land zum Königreich der Niederlande.
Indes wurden in den US-Staaten Florida und Georgia eine Million Menschen zum Verlassen ihrer Häuser aufgerufen. Für Sorge sorgte am Donnerstagabend (Ortszeit) der Bericht, wonach "Irma" am Samstag die Millionenmetropole Miami voll erfassen werde. Auch das Feriendomizil "Mar-a-Lago" von Präsident Donald Trump könnte von "Irma" heimgesucht werden: Der Golfclub in der Stadt Palm Beach liegt in einer Evakuierungszone der US-Behörden, wie die Zeitung "Sun Sentinel" berichtete. Darüber hinaus wurden zwei Atomkraftwerke in Florida vorsichtshalber abgeschaltet.
Den USA droht damit innerhalb von zwei Wochen nach "Harvey" der zweite verheerende Hurrikan. Floridas Gouverneur Rick Scott zufolge könnte "Irma" schwerere Schäden anrichten als der Wirbelsturm "Andrew" 1992 - bis heute einer der teuersten Naturkatastrophen in der Geschichte der USA.
Haiti blieb großteils verschont
Einzige gute Nachricht: Irma hat in Haiti und der Dominikanischen Republik nach ersten Einschätzungen von Hilfsorganisationen weniger Schäden verursacht als befürchtet. "Hätte Irma einen südlicheren Weg eingeschlagen, wäre es zur Katastrophe gekommen", sagte Martin van de Locht, Leiter der Internationalen Programme von World Vision laut Mitteilung vom Freitag.
Auch bei Caritas International gab man sich vorerst erleichtert. In der Dominikanischen Republik gebe es nach ersten Berichten keine Toten, sagte ein Sprecher. Etwa 200 Häuser seien vollständig zerstört. Eine komplette Entwarnung für die Region wollte Caritas international aber noch längst nicht geben. Vor allem der tiefer gelegene Norden Haitis könne noch von Überschwemmungen bedroht sein. Solche Überschwemmungen können laut dem Arbeiter Samariterbund langfristige Folgen für das Land haben. Meerwasser könne Brunnen versalzen, Trümmer auf Feldern der Bauern hinterlassen und Erdrutsche verursachen, sagte eine Sprecherin der Hilfsorganisation.
Die Menschen auf Haiti, einem der ärmsten Länder der Region, leiden noch immer unter den Auswirkungen des Erdbebens von 2010 und des Hurrikans "Matthew" 2016. "Das Grundproblem der Haitianer ist, dass sie sich nicht auf ihren teils dysfunktionalen Staat verlassen können", sagte Caritas international-Sprecher Achim Reinke.
Genaue Opferzahl ist unklar
Wie viele Menschen durch "Irma" bereits ums Leben kamen, blieb zunächst unklar. Der schlechte Zugang zum Katastrophengebiet machte eine genaue Erfassung der Opferzahlen zunächst schwierig.
Nach Schätzungen der Vereinten Nationen könnten in den kommenden Tagen bis zu 37 Millionen Menschen von den Auswirkungen des Sturms betroffen sein. Der Hurrikan passierte in der Nacht auf Freitag (Ortszeit) Haiti und sollte dann weiter Richtung Kuba, Bahamas und Florida ziehen.
"Irma" ist einer der stärksten jemals in der Region registrierten Tropenstürme mit Spitzen-Windgeschwindigkeiten von 290 Kilometern pro Stunde. Besonders schwer getroffen wurden die Karibikinseln Barbuda, Saint-Martin und Anguilla. "Mindestens 95 Prozent der Gebäude wurden beschädigt. 60 Prozent der Bevölkerung sind obdachlos", sagte Premierminister Gaston Browne zur Lage auf Barbuda. Die Insel sei praktisch unbewohnbar geworden.
Hurrikan "José" braut sich zusammen
Angesichts des heraufziehenden nächsten Hurrikans "José" rief die Regierung die Bewohner auf, Barbuda zu verlassen und auf der Nachbarinsel Antigua Schutz zu suchen. Sollte der neue Wirbelsturm der Kategorie drei weiter Kurs auf Barbuda nehmen, werde die Insel zwangsgeräumt. "Jose" befand sich am Donnerstag 955 Kilometer östlich der Kleinen Antillen und erreichte eine Geschwindigkeit von 195 Stundenkilometern.
Nach dem Durchzug von "Irma" begannen auf den Kleinen Antillen im Südosten der Karibik die Aufräumarbeiten. Vom französischen Übersee-Departement Guadeloupe aus wurden 400 Gendarmen und 400 Feuerwehrleute in das Gebiet geschickt. Zwei Fregatten, zwei Aufklärungsflugzeuge, Transportflugzeuge und Helikopter waren im Einsatz. Der französische Präsident Emmanuel Macron und die britische Premierministerin Theresa May vereinbarten eine enge Zusammenarbeit, um das Ausmaß der Zerstörung zu erfassen und die Rettungsmaßnahmen zu koordinieren. Macron sagte, dass er so schnell wie möglich in die Region reisen wolle.
Auch zahlreiche Karibikurlauber waren vom Hurrikan betroffen. In der Dominikanischen Republik brachten die Behörden rund 7500 Touristen in Sicherheit. In Kuba wurden rund 36.000 Urlauber von der besonders gefährdeten Nordküste an sicherere Orte gebracht, wie das staatliche Fernsehen berichtete.
(APA/dpa/Reuters)