Die Affäre des Zaren erregt Gemüter im Kino

Regisseur Alexej Utschitel.
Regisseur Alexej Utschitel.(c) imago/ITAR-TASS (Yuri Smityuk)
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Russland. Kinoketten verweigern die Ausstrahlung des Filmepos „Matilda“ aus Angst vor orthodoxen Kritikern.

Moskau/Wien. Seit einigen Monaten schon gärt in Russland die Debatte über das Historienepos „Matilda“. Nun haben die beiden größten Kinobetreiber des Landes entschieden, den Film über die Liebesbeziehung des letzten Zaren, NikolausII., zu einer Ballerina nicht zeigen zu wollen. Die wirtschaftlich verbundenen Ketten Cinema Park und Formula Kino verwiesen auf die Drohungen der Filmgegner. Der Film des Regisseurs Alexej Utschitel läuft am 26. Oktober an.

Warum ist der Streifen umstritten? Radikale orthodoxe Aktivisten der Bewegung Christlicher Staat – Heilige Rus werfen Utschitel die Verunglimpfung Nikolaus'II. vor; für die Affäre gebe es keine Beweise. Sie interpretieren die filmische Darstellung der Liebesbeziehung des (damaligen) Kronprinzen mit der Tänzerin Matilda Kschessinskaja als Blasphemie. NikolausII. wurde später von der orthodoxen Kirche heiliggesprochen. Das aufwendig produzierte Drama, das die Lüftung der „Geheimnisse des Hauses Romanow“ verspricht, porträtiert Nikolaus als einen zwischen Konvention und Leidenschaft zerrissenen jungen Mann.

Zu Wochenbeginn ist in Moskau bereits eine Vorpremiere des Films, in dem der deutsche Schauspieler Lars Eidinger die Hauptrolle spielt, abgesagt worden. Wenige Stunden vor der geplanten Vorführung waren beim Büro des Anwalts des Regisseurs zwei Autos in Brand gesetzt worden.

Der Filmstreit hat mittlerweile auch eine politische Dimension erreicht. Die von der annektierten Krim stammende Duma-Abgeordnete, Natalia Poklonskaja, geriert sich öffentlich als forsche Fürsprecherin derjenigen, die das Verbot des Films fordern. Sogar Kulturminister Wladimir Medinskij, der sich sonst gern als Wertkonservativer präsentiert, hat gestern genervt erklärt, die Debatte reiche ihm. Die Affäre illustriert wieder einmal den wachsenden Einfluss konservativ-reaktionärer Kreise auf die russische Massenkultur. Da die Kinobetreiber Sachbeschädigung fürchten und sich politisch nicht exponieren wollen, schrecken sie vor einem Screening zurück. (som)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2017)

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