Nach drei Jahren Stagnation rechnen Forscher heuer wieder mit einem Anstieg der weltweiten CO2-Emissionen, vor allem wegen China. EU und USA können keine echte Trendwende einleiten.
In den vergangenen drei Jahren stagnierte der Kohlendioxid-Ausstoß. Doch wenn die Berechnungen der Forscher des Global Carbon Projects stimmen, dann gibt es 2017 neue Rekordwerte - Pariser Klimavertrag zum Trotz. Für 2017 sei ein Anstieg der globalen CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen und der Industrie um etwa zwei Prozent zu erwarten, steht im Jahresbericht der Forscher, der am Montag zur Bonner Klimakonferenz veröffentlicht werden sollte. Doch es gibt noch einen Unsicherheitsfaktor in den Prognosen, sozusagen eine Schwankungsbreite: Im positivsten Fall beträgt die Steigerung nur 0,8 Prozent, im schlimmsten Fall etwa 3 Prozent.
Für die Staaten, die derzeit in Bonn über die Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens von 2015 zur Begrenzung der Erderwärmung beraten, gebe es jedenfalls "keinen Grund zur Selbstzufriedenheit", mahnen die Experten. Die erneuerbaren Energien seien zwar in den vergangenen fünf Jahren weltweit um 14 Prozent jährlich gewachsen, und auch die Emissionen im Kohlebereich seien im Sinken begriffen. Aber gleichzeitig stiegen die Emissionen aus der Verbrennung von Öl und Gas deutlich an.
41 Gigatonnen CO2
Bis Ende 2017 werden die weltweiten CO2-Emissionen der Studie zufolge etwa 41 Gigatonnen betragen. Bei diesem Rekordwert der Emissionen werde das globales Kohlenstoffbudget innerhalb von 20 bis 30 Jahren aufgebraucht sein. Danach werde es nicht mehr möglich sein, die Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen, wie es in Paris vereinbart worden war.
"Wir wissen nicht, ob es sich beim Anstieg der Emissionen im Jahr 2017 um einen Ausreißer handelt oder ob wir es mit Veränderungen zu tun haben, die in den kommenden Jahren für einen Aufwärtsdruck sorgen werden", sagt Cicero-Forscher Jan Ivar Korsbakken gegenüber dem "Spiegel". Einen massiven Anstieg der Emissionen in den nächsten Jahren dürfte es aber eher nicht geben.
Sorge um China
Wesentlich für die globale Emissions-Bilanz sind China und Indien. Dort steigen die Emissionen um 3,5 beziehungsweise um zwei Prozent. In China trägt die verstärkte Verbrennung von Kohle, Öl und Gas dabei den Hauptanteil. Indien verzeichnet einen deutlich kleineren Anstieg, in den letzten Jahren legten die Emission um durchschnittlich sechs Prozent zu. Grund dafür dürften Eingriffe der Regierung in die Wirtschaft des Landes sein, die Zementproduktion wurde zurückgefahren.
In den USA sollen die Emissionen 2017 um 0,4 Prozent sinken. (-2,7 Prozent bis +1,9 Prozent theoretisch möglich). Doch die Klimapolitik von US-Donald Trump wird nicht weiter zu einer Verbesserung beitragen, die Initiative in den USA haben andere Politiker und Initiativen übernommen. Auch Arnold Schwarzenegger plädierte in Bonn an seine Landsleute, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. In Europa wird ein Minus von 0,2 Prozent prognostiziert - viel zu wenig, um eine Trendwende zu erreichen, beklagen die Forscher.
Die Kennzahlen des Klimawandels
Hitzerekorde
Das Jahr 2017 dürfte das wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen werden, wie die Weltorganisation für Metereologie (WMO) am Montag in Bonn mitteilte. Das gilt jedenfalls, wenn das Klimaphänomen El Nino nicht mit berücksichtigt wird. Es sorgte 2016 für noch höhere Temperaturen und starke Niederschläge. Nach den vorläufigen Angaben der WMO sind die Jahre 2013 bis 2017 die wärmsten, die jemals gemessen wurden.
Treibhausgase
Trotz aller Bemühungen zum Abbau der Treibhausgase wurden neue Höchststände verzeichnet: Die Konzentration von Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre ist 2016 auf 403,3 ppm (Teilchen pro eine Million Teilchen) und damit auf den höchsten Stand seit mindestens 800.000 Jahren gestiegen, wie Klimaforscher betonen. Ähnlich sieht es bei Methan aus, das insbesondere durch die industrielle Tierhaltung, aber auch durch die Gewinnung von Erdgas durch Fracking entsteht.
Eisschmelze und steigende Ozeane
Die Eisschmelze setzt sich fort: Die Oberfläche der alpinen Gletscher hat sich das 37. Jahr in Folge verringert. Auch an den Polkappen setzt sich der beunruhigende Trend fort: Am Nord- und Südpol gibt es deutlich weniger Packeis als im Schnitt der Jahre 1981 bis 2010. Nach einigen Prognosen könnte die Arktis bereits ab 2030 im Sommer völlig eisfrei sein.
Auch die Meeresspiegel steigen weiter an, und zwar im Schnitt um gut drei Millimeter pro Jahr. Dafür ist auch die abschmelzende Eiskappe von Grönland verantwortlich.
Stürme und Dürren
Für viele Naturkatastrophen ist der Mensch mitverantwortlich, wie die Weltorganisation für Metereologie betont. Die Zahl der Dürren, Waldbrände, Überschwemmungen und Stürme hat sich seit 1990 verdoppelt.
Auch im laufenden Jahr gab es extreme Ereignisse: So war der Wirbelsturm "Irma" in der Karibik und in den USA der erste Tropensturm mit Windgeschwindigkeiten von 295 Stundenkilometern über mehr als 33 Stunden. Hurrikan "Harvey" brachte Rekordmengen an Regen mit sich.
Artensterben
Von den 8.688 bedrohten Arten auf der Roten Liste der Internationalen Naturschutzunion IUCN sind 1.688 spezifisch durch den Klimawandel betroffen. Forscher sprechen von einem neuen "Massensterben" - der sechsten vergleichbaren Entwicklung in den vergangenen 500 Millionen Jahren.
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(APA/AFP/Red.)