Der Yeti ist ein Bär, aber kein polarer

150408 BEIJING April 8 2015 This is a photo of Tibetan blue bear taken by photographer C
150408 BEIJING April 8 2015 This is a photo of Tibetan blue bear taken by photographer Cimago/Xinhua
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Vergleiche von Genen als Yeti-Devotionalien präsentierter Objekte wie Zähnen, Haut und Haaren mit jenen von Bären bestätigen Reinhold Messners These zur Natur des Schneemenschen.

„Ohne jeden Zweifel sah die Gestalt wie die eines Menschen aus, sie ging aufrecht und hielt ab und zu an, um Zwerg-Rhododendron abzureißen. Sie hob sich dunkel ab gegen den Schnee, und soweit ich sehen konnte, hatte sie keine Kleider an.“

Das ist eine der präziseren Beschreibungen des über zwei Meter großen und wohl über 200 Kilo schweren Wesens, das zumindest in vielen Köpfen durch die Höhen des Himalaya geistert. Dort hat es Namen sonder Zahl, Yeti (von Ye = Fels und The = Tier) ist nur bei uns der geläufigste, in der Region stecken oft Geister und Dämonen im Namen, oft auch Bären, das tibetische Michê etwa übersetzt sich als „Menschen-Bär“.

Wirklich gesehen wurde er schon früh, aber sehr selten. Alexander der Große hörte 326 v. Chr. von ihm, als seine Feldzüge ihn an den Indus geführt hatten. Dann blieb es im Westen lange ruhig, 1832 sichtete der britische Ethnologe Hodgson etwas in Nepal, in seinen Augen war es ein Orang-Utan. Im 20. Jahrhundert begann die systematische Suche, Edmund Hillary, der Erstbesteiger des Mount Everest, war dabei, er fand 1951 riesige Fußspuren im Schnee (die Fotos gelten heute noch als starke Belege für die Existenz des Yeti) und trug später auch Material zusammen, das von Schamanen und in Klöstern aufbewahrt wurde: Knochen, Haut, Haare.

Mehr bekam man nicht wirklich zu Gesicht – auch die Einheimischen taten es nicht und kannten das seltsame Wesen nur vom Hörensagen. 1986 kam es endlich wieder zu einer Begegnung: Reinhold Messner sah etwas huschen, erst in der Dämmerung, dann noch einmal im Mondlicht. Das machte Schlagzeilen, allerdings gab der Wiener Anthropologe Horst Seidler zu bedenken, Messner sei „möglicherweise durch extremen Sauerstoffmangel Opfer einer Halluzination geworden“. Aber der Südtiroler Extrembergsteiger war dünne Luft gewohnt und seiner Sache sicher, er ging auf Yeti-Jagd, über ein Jahrzehnt. Etwas Lebendes fand er nicht, aber er trieb Indizien auf, einen Zahn etwa und ein Stück Fell, beide stellt er in einem seiner Museen in Südtirol aus. Beide stellte er auch für die jüngste Genanalyse zur Verfügung.

Paläo-Eisbär im Himalaya?

Die hat Charlotte Lindquist (Singapur) unternommen, sie ist Biologin und kam eher zufällig auf die Idee: Sie war 2004 bei der Gen-Analyse eines 120.000 Jahre alten Eisbären dabei, den man in der norwegischen Arktis gefunden hatte. 2014 fand sie diese Arbeit in einer über den Yeti zitiert: Brian Skyes (Oxford) hatte in zwei dem Yeti zugeschrieben Funden aus Indien Genstücke identifiziert, die sich mit denen das Paläo-Eisbären deckten. Das ist nicht so absurd, wie es klingt: Man weiß etwa vom längst ausgestorbenen Wollnashorn, dass es im Himalaya entstand und erst später in die Arktis wanderte, so könnte es auch beim Polarbären gewesen sein.

Aber es gab Zweifel an Skyes Analyse, vor allem an der Methode, Lindquist teilt sie und trug also neuerlich viel zusammen, was dem Yeti zugeschrieben wird, 24 Objekte. Zugleich hat sie in aller Breite die Gene von Bären des Himalaya analysiert, vor allem an Kotproben. Beim Yeti fand sie alles Erdenkliche (der Zahn aus Messners Fundus etwa ist von einem Hund), vor allem aber fand sie in ihm immer wieder Bären: Asiatische Schwarzbären, Himalaya-Braunbären, Tibetische Braunbären. Eisbären fand sie nicht, hatte allerdings Skyes Proben nicht zur Verfügung (Nachlesen kann man alles in den Proceedings B der Royal Society, 29. 11.).

Der Yeti war bzw. ist also ein Bär, zu dem Schluss kam auch Messner 1998, als er seine aufwendige Jagd abbrach. Damit reiht sich dieses Wunderwesen ein in andere, die in den Fantasien des eisigen Nordens herumspuken: Bigfoot in Amerika, Almasty in Sibirien. Letzterer ist offenbar ein Hirngespinst, es gibt nichts Handfestes von ihm außer einem Waschbärenpelz, und was es von Bigfoot gibt, stammt von Rindern, Wölfen und Pferden, vor allem aber auch von Bären.

Messner hatte Recht, das bestätigte ihm früh Ernst Schäfer, der in den 1930ern mehrfach als Zoologe und SS-Sturmbannführer in Tibet war, um Ur-Arier zu suchen: Er schrieb 1992 an Messner, er habe 1939 einen „Yeti“ in einer Höhle erschossen, es sei ein „Tibet-Bär“ gewesen. Den Griff zum Gewehr hätte Schäfer besser unterlassen: Alle Bären im Himalaya sind bedroht, manche extrem. Immerhin können Artenschützer nun mit den Gendaten von Lindquist besser vorsorgen.

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