Extremkälte in USA: Trump macht sich über globale Erwärmung lustig

Maximal dick einpacken ist momentan im Norden der USA und in Kanada (Bild: Qu´ebec) lebenswichtig.
Maximal dick einpacken ist momentan im Norden der USA und in Kanada (Bild: Qu´ebec) lebenswichtig.(c) APA/AFP/ALICE CHICHE (ALICE CHICHE)
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Das Gros der USA und ganz Kanada gleichen wegen eines polaren Kaltlufteinbruchs derzeit einem Eisschrank. "Wir könnte etwas vom guten alten Treibhauseffekt gebrauchen", kommentiert der US-Präsident.

Während sich der Winter in großen Teilen Europas derzeit meist von seiner milderen bis nicht allzu kalten Seite zeigt (selbst in Moskau und Stockholm sind es momentan sogar nächtens um die null Grad Celsius), frieren Kanada und nördliche Regionen der USA regelrecht ein und/oder versinken im Schnee.

US-Präsident Donald Trump nahm den Kälteeinbruch zum Anlass, sich über globale Erwärmung lustig zu machen. "Im Osten könnt es der KÄLTESTE Silvesterabend werden, der jemals registriert wurde", schrieb der Republikaner am Donnerstag auf Twitter. "Vielleicht könnten wir ein bisschen von dem guten alten Treibhauseffekt gebrauchen, vor dem sich unser Land - anders als andere Länder - mit Zahlungen von BILLIONEN VON DOLLAR hatte schützen wollen. Zieht euch schön warm an!"

Mit seinem Hinweis auf die Billionen Dollar bezog sich Trump offensichtlich auf den Pariser Klimavertrag. Die USA hatten ihn unter Präsident Barack Obama unterzeichnet, aber Trump den Ausstieg daraus angekündigt.

In der in den USA als „Kältekammer“ bekannten Kleinstadt International Falls (Minnesota) fiel die Temperatur in der Nacht auf Donnerstag auf –38,3 Grad Celsius. Damit wurde der dortige Tiefstwert von –35,5 Grad aus dem Jahr 1924 locker unterboten. Im Allgemeinen liegen die Nachttemperaturen in den nördlichen USA jetzt bei –17 bis –30 Grad, im Gros des Landes mit Ausnahme etwa von Florida, dem Süden von Texas und Kalifornien sind es selten mehr als bis zu etwa zwei Grad. Von historischen Rekorden wie 1971 bei Prospect Creek (Alaska, –62,1 Grad) oder 1954 bei Rogers Pass (Montana, –57 Grad) ist man aber weit entfernt. In Erie (Pennsylvania) fielen dafür 165 Zentimeter Schnee, wie CNN am Donnerstag berichtete. In Minnesota zogen Hunderte Eisangler auf den zugefrorenen Upper Red Lake.

Kälterekorde noch ungebrochen

Im Schnitt kälter als in den USA ist es naturgemäß in Kanada, auch in dessen südlicheren Breiten. Für die Hauptstadt Ottawa und weite Teile des Landes gibt es eine Warnung der Regierung vor Extremkälte, die durch den Windfaktor auf ungeschützter Haut um gefühlt je etwa drei bis 15 Grad und mehr verstärkt wird: Nackte Haut kann binnen Minuten abfrieren. In weiten Teilen des Landes fielen die Nachtwerte auf –25 bis –38 Grad, noch frischer wurde es in den praktisch unbewohnten arktischen Zonen. Untertags hält sich die Erwärmung in Grenzen.

Toronto, wo es ob der moderierenden Wirkung des Ontariosees meist milder ist, meldete mit –22 Grad die niedrigste Temperatur seit 1960. Dabei fallen auch in Kanada noch keine Kälterekorde: In Snag im Yukonterritorium maß man 1947 „heiße“ –63 Grad, in Mould Bay (Nordwestterritorien) –54,7 Grad. Letztere Messung stammt von einer automatischen Station in einer 1997 aufgelassenen Basis, die nur noch selten Besuch kriegt – und sie wurde heuer im März gemacht.

Ursache für die Kälte ist ein „polar vortex“, ein Wirbel polarer Kaltluft. Kalte Luft liegt meist stabil über dem Pol. Dehnt sie sich aus oder verschiebt sich, kommen Kälte und Schnee weiter nach Süden. Anfang 2014 erlebte Nordamerika über Wochen Folgen solcher Wirbel. Die Wetterlage wird sich jetzt nach den Prognosen der Wetterdienste über den Jahreswechsel nicht groß ändern.

Eishockeyturnier verlegt

Für die Kinder, die am traditionellen Eishockeyturnier teilnehmen, das „zwischen den Jahren“, wie man sagt, in Ottawa stattfindet, war es eine Enttäuschung: Heuer, da Kanada seinen 150. Geburtstag feiert, sollten Spiele auf einer Eisfläche vor dem Parlament stattfinden. Am Mittwoch waren die Veranstalter mit einem unerwarteten Problem konfrontiert: Es war nicht nur zu kalt, um im Freien zu spielen, sondern es brach sogar die Eisfläche auf, wenn man mit Schlittschuhen fuhr. Es drohten Verletzungen, wären Kinder mit den Kufen in Rissen hängen geblieben. Versuche, die Risse mit Wasserübergießen zuzufrieren, änderten an der Sprödheit des Feldes nichts. Die Spiele wurden also in Eishockeyhallen verlegt, was viele enttäuschte.

Der „Ottawa Citizen“ schrieb, der 28. Dezember sei samt Windkälte der kälteste seit mehr als einem Jahrhundert. Die Stadt rief dazu auf, die Polizei zu holen, wenn man einen Obdachlosen im Freien sehe, damit die Beamten ihn ins Warme bringen könnten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2017)

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