Russland: Mysteriöser Absturz einer Antonow

Einsatz am Unfallort nahe Moskau: Zivilschützer suchen nach Flugzeugteilen und menschlichen Überresten nach dem Flugzeugabsturz vom Sonntag.
Einsatz am Unfallort nahe Moskau: Zivilschützer suchen nach Flugzeugteilen und menschlichen Überresten nach dem Flugzeugabsturz vom Sonntag.REUTERS
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Von den zwei Flugschreibern erwarten sich Experten Informationen, was auf dem vierminütigen Unglücksflug der südöstlich von Moskau abgestürzten Maschine passiert ist.

Moskau. Nach dem schweren Flugzeugunglück nahe Moskau ist in Russland die Anteilnahme groß. Insbesondere die Stadt Orsk im Orenburger Gebiet trauert, war sie doch die Destination des Fluges 703; die meisten Insassen stammten aus der Region nahe Kasachstan. Zahlreiche Bürger legten am Orsker Flughafen Blumen nieder und entzündeten Kerzen.

Der Flug der Saratow Airlines war am Sonntagnachmittag vom Airport Domodedowo in das 1500 Kilometer entfernte Orsk gestartet. Nach nur vier Minuten stürzte die Antonow um 14.27 Uhr Ortszeit im südöstlichen Umland Moskaus nahe dem Dorf Stepanowo ab. Auf Videoaufnahmen ist zu sehen, wie das Flugzeug in Flammen aufgeht.

Ermittler erklärten am Montag, dass die An-148 bis zum Aufprall ganz gewesen sei. Die Crew hatte keinen Notruf abgesetzt. Das Flugzeug war am Sonntag auf drei Strecken geflogen, bevor es am frühen Nachmittag ein viertes Mal aufstieg. Alle 71 Menschen an Bord kamen ums Leben; unter den Toten ist auch ein Schweizer Staatsbürger. Am Tag eins nach dem Unglück rätselte man weiter über die Unglücksursache. Aufklärung erhoffte man sich von den beiden Flugschreibern, die an der Absturzstelle gefunden wurden.

Auf dem freien Feld südöstlich von Moskau dauerten die Bergungsarbeiten an. Die Suche nach den in einem Radius von einem Kilometer verstreuten Wrackteilen und menschlichen Überresten gestaltet sich wegen der Schneedecke kompliziert. Suchmannschaften des Katastrophenschutzministeriums durchkämmten die verschneite Ebene mit Stöcken.

Betriebsamkeit am Unfallort

Die russischen Behörden waren um eine schnelle Reaktion bemüht. Man wollte ganz offensichtlich Handlungsfähigkeit ausstrahlen – auch wenn man gestern noch wenig wusste. Fünf Wochen vor der Präsidentenwahl soll in der Öffentlichkeit der Eindruck von Achtlosigkeit oder Schlamperei unbedingt vermieden werden – etwas, das Beamten bei Unglücksfällen in der Vergangenheit nicht immer gelungen ist. Präsident Wladimir Putin brach noch am Sonntag seinen Aufenthalt in Sotschi ab und flog nach Moskau. Er drückte den Angehörigen der Toten sein Mitgefühl aus und wies die Regierung an, eine Untersuchungskommission zur Aufklärung des Vorfalls einzusetzen. Am Unglücksort wurde eine Zeltstadt für die Mitarbeiter des Katastrophenministeriums und der Polizei aufgebaut. Das Staatsfernsehen berichtete laufend, Drohnen lieferten spektakuläre Bilder vom Unglücksort aus der Höhe. Das Katastrophenschutzministerium informierte in Pressekonferenzen vom Fortgang der Bergungsarbeiten. Auch Katastrophenschutzminister Wladimir Putschkow traf am Unglücksort ein. Den Angehörigen der Toten sicherte man eine finanzielle Entschädigung zu.

Die Antonow war seit 2010 in Betrieb und war im Vorjahr von Saratow Airlines von der Billigfluglinie Rossija übernommen worden. Die Fluggesellschaft erklärte, die Maschine sei vor dem Start überprüft worden, es habe keine Unregelmäßigkeiten gegeben. Das Flugzeug habe erst im Jänner einen C-Check durchlaufen, bei dem Triebwerke und Struktur der Maschine in einem zweiwöchigen Verfahren besonders genau überprüft werden.

Ukraine schickt Vertreter

Die An-148 des ukrainischen Herstellers Antonow kann bis zu 85 Menschen befördern und hat eine Reichweite von rund 4000 Kilometern. Kiew hat gestern nach russischen Angaben Experten an den Unglücksort entsendet, um an den Aufklärungsarbeiten teilzunehmen. Ein rarer Moment der Kooperation, sind die Beziehungen zwischen Moskau und Kiew wegen der Krim-Annexion und des Krieges im Donbass seit vier Jahren doch sehr angespannt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2018)

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