Die Stadt des Transits und der Sünde

Der Charme der Dekadenz war lange Tangers größtes Kapital.
Der Charme der Dekadenz war lange Tangers größtes Kapital.Hermes Images / AGF / picturedes
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Tanger in Marokko erlebt ein Wirtschaftswunder. Doch das freut nicht alle: Manche bekritteln das Tempo, andere den Verlust des typischen Ambiente.

Sie sehen fast gespenstisch aus, wie sie auf dem dunkelblauen Mittelmeer durch den Morgendunst gleiten: riesige Containerschiffe, turmhoch beladen. Ihr Ziel ist Tanger Méditerranée an der marokkanischen Küste, der zweitgrößte Hafen Afrikas – ein Hafen der Superlative. 2017 wurden in Tanger-Med 5,3 Millionen Tonnen an Gütern aus 174 Häfen in 74 Ländern abgefertigt. Die Fähren transportierten 2,8 Millionen Passagiere zwischen Afrika und Europa. Dazu kamen 430.000 Fahrzeuge, sechs Millionen Tonnen Gas und Erdöl. Und jedes Jahr wird es mehr. Bald schon will man die wichtigste Anlegestelle des afrikanischen Kontinents sein – und danach auch Nummer eins in Europa werden.

„Niemand hat so etwas in Marokko für möglich gehalten“, sagt Rachid Taferssiti, Präsident des Vereins Al Boughaz, der das historische Erbe der Stadt Tanger betreut, die rund 40 Kilometer vom Hafen entfernt liegt. „Früher hat es Monate gedauert, einen Bürgersteig zu reparieren, und nun das!“ Marokko setzt rasant einen Marshallplan um, dessen Kernstück Tanger-Med ist. Als Initiator gilt König Mohammed VI. Er hatte 1999, nach dem Tod seines Vaters Hassan II., den Thron bestiegen. Der mittlerweile 54-jährige Monarch will Armut und Arbeitslosigkeit bekämpfen, vor allem unter jungen Menschen. Deshalb wurde Marokko wohl auch nicht vom Arabischen Frühling erschüttert. „Zum ersten Mal wird wirklich etwas getan, um unser Leben zu verbessern“, sagt Taxifahrer Abdelatif aus Tanger. „Warum sollten wir dann alles zerstören?“

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