Wo der Handel mit Sklaven boomt

Kinder, Männer, Frauen, die auf Feldern, Baustellen, in Fabriken oder Minen Tag und Nacht lebensgefährliche Arbeiten verrichten, ohne dafür auch nur einen Cent zu bekommen.
Kinder, Männer, Frauen, die auf Feldern, Baustellen, in Fabriken oder Minen Tag und Nacht lebensgefährliche Arbeiten verrichten, ohne dafür auch nur einen Cent zu bekommen.(c) imago/ZUMA Press
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Mehr als 40 Millionen Menschen weltweit werden gewaltsam gezwungen, gratis zu arbeiten. Spitzenreiter ist Nordkorea: Jeder zehnte Einwohner muss dort Sklavenarbeit zu leisten.

Wien/New York. Menschen, die in aller Öffentlichkeit auf Märkten „gehandelt“ werden. Kinder, Männer, Frauen, die auf Feldern, Baustellen, in Fabriken oder Minen Tag und Nacht lebensgefährliche Arbeiten verrichten, ohne dafür auch nur einen Cent zu bekommen. Junge Mädchen, die als „Bräute“ verkauft werden, um dann bis zu ihrem Lebensende als Dienstmägde zu schuften.

Sklaverei ist kein Horrorrelikt aus der Vergangenheit: Heute noch werden mehr als 40 Millionen Menschen weltweit gezwungen, gratis zu schuften – oft von ihren Regierungen. Moderne Sklaven nähen Kleider, die wir in Europa tragen, produzieren Fußbälle, mit denen wir spielen, oder bauen unsere Handys zusammen: Dies ist das Ergebnis des „Global Slavery Index“ für 2018, den die NGO Walk Free Foundation gemeinsam mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) gestern veröffentlichte. Überprüft wurde die Lage in insgesamt 163 Ländern.

Trauriger Spitzenreiter im Sklaverei-Ranking ist das stalinistische Nordkorea: Unter der Herrschaft von Diktator Kim Jong-un wird demnach jeder zehnte Einwohner zu Sklavenarbeit gezwungen. Gratis Feldarbeit etwa ist für Nordkoreaner ab ihrem 13. Geburtstag Pflicht – 40 Tage im Frühling, 30 Tage im Herbst. Wer sich weigert, wird hart bestraft.

Gehalt als Zwangsspende

Geflüchtete Nordkoreaner berichten zudem von Jobs in staatlichen Fabriken, für die sie nie bezahlt wurden. Andere wurden gezwungen, ihr Gehalt „Wohltätigkeitsorganisationen“ des Regimes zu spenden. Zum Teil nimmt die nordkoreanische Sklavenarbeit surreale Züge an: So erzählt ein Dissident von seinem Job in einer Fabrik, die gar nichts produzierte. Der Firmenchef zwang seine Arbeiter, irgendwie Güter selbst zu basteln, damit er seinen Vorgesetzten ein Output vorlegen konnte. Bezahlt wurde freilich niemand. „Ich durfte nicht kündigen“, sagt der Zeuge. Denn ein Arbeitswechsel muss in Nordkorea von den KP-Behörden genehmigt werden.

Manche Nordkoreaner müssen ihre Chefs bezahlen, um ihre „Jobs“ zu behalten und somit offiziell als „Arbeiter“ registriert zu sein. Diese Menschen arbeiten oft auf dem Schwarzmarkt, um sich ihren Pseudoposten finanzieren zu können. Denn Arbeitslosen droht die Internierung im Lager. Dort gehört Sklaverei zum System: Gefangene verrichten gefährliche Arbeit im Bergbau, in Fabriken oder auf dem Feld. Sie sind unterernährt, viele schuften sich zu Tode.

Sklavenexport gehört inzwischen auch zur lukrativen Einnahmequelle für das nordkoreanische Regime. Das von internationalen Sanktionen geschwächte Kim-Regime „verkauft“ seine Bürger als Gratisarbeiter inzwischen auch ins Ausland, um so an Devisen zu kommen. Nordkoreanische Sklaven schuften in China, Russland, Afrika, in arabischen Staaten – aber auch in Europa: Vor wenigen Jahren sorgte ein Bericht über nordkoreanische Sklaven in einer Werft in Polen für Aufsehen.

Quelle: Walk Free Foundation / Grafik: "Die Presse"

Lebenslanger Militärdienst

Der Kontinent mit den meisten Sklaven ist aber Afrika, dort führt Eritrea die Sklaverei-Statistik an. Das repressive Regime nützt den Militärdienst, um seine Bürger auszubeuten: Oft lebenslang werden Männer und Frau zum Armeedienst gezwungen, müssen dort unter härtesten Bedingungen für den Staat die unterschiedlichsten Arbeiten verrichten. Frauen werden regelmäßig von den Offizieren vergewaltigt. Deserteuren droht die Todesstrafe.

Auch die Regierung von Burundi beutet ihre Bürger durch Zwangsarbeit systematisch aus, in Ländern wie der Zentralafrikanischen Republik oder Südsudan ist Sklaverei ebenfalls weit verbreitet.

In Asien werden Menschen vor allem in Pakistan und Afghanistan zur Gratisarbeit „verkauft“ – Afghanistan gehört neben Syrien zu den Ländern, in denen sich Sklaverei gefährlich schnell ausbreitet. Auch in Libyen, dem Haupttransitland von Menschen, die nach Europa fliehen wollen, nützen Schlepper die Not vieler Flüchtlinge, um sie als Sklaven zu verkaufen.

„Gewalt, Krieg, Repression oder Fluchtbewegungen“ seien Kennzeichen jener Länder, in denen Sklaverei boomt, lautet das Fazit des Berichts. Gewarnt wird aber auch: Staaten, die Produkte aus Sklavenarbeit importieren, machen sich zu unbewussten Komplizen der Menschenhändler. Am Verkauf von Handys, Laptops, Computern, Kleidern oder Lebensmitteln wie Fisch, Kakao oder Zucker verdienten Menschenhändler Milliarden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2018)

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