Sommerzeit auf dem Prüfstand

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ARCHIVBILD: THEMENBILD: UMSTELLUNG AUF SOMMERZEIT(c) APA/HERBERT PFARRHOFER
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Am heutigen Donnerstag endet eine europaweite Umfrage zur Zeitumstellung. Die EU-Kommission will wissen, ob die Bürger eine Abschaffung fordern.

Wien/Brüssel. Die einen sind über längere Tage erfreut, die anderen über die Störung des Lebensrhythmus verärgert – der Wechsel von Winter- auf Sommerzeit, der jedes Jahr am letzten Sonntag im März stattfindet, sorgt für Kontroversen. Um dem niederschwelligen Hickhack wegen der Zeitumstellung ein Ende zu bereiten, hat die EU-Kommission am 4. Juli eine Onlinekonsultation in die Wege geleitet, die am heutigen Donnerstag zu Ende geht. Das öffentliche Interesse war groß – weit mehr als eine Million EU-Bürger hat ihre Meinung geäußert. Das Ergebnis des Konsultation soll am morgigen Freitag präsentiert werden.

1. Warum gibt es eine Winter- und eine Sommerzeit?

Dass die Uhren Ende März um eine Stunde vor- und Ende Oktober um eine Stunde zurückgestellt werden, ist kein Naturgesetz, sondern eine bewusste Entscheidung der Gesetzgeber. Das Abweichen von der sogenannten Normalzeit, die im Winterhalbjahr gilt, wurde erstmals im Laufe des Ersten Weltkriegs beschlossen und mit den Erfordernissen der Kriegswirtschaft begründet – durch den späteren Abendeinbruch erhoffte man sich einen geringeren Stromverbrauch.

Das Argument tauchte 1973 im Zuge der ersten Ölkrise wieder auf, als sich der Energieträger empfindlich verteuerte und die westlichen Industrienationen zu Rationalisierungsmaßnahmen gezwungen wurden. Der einzige Staat, der die Einführung der Zeitumstellung mit den Energiepreisen begründete, war allerdings Frankreich.

Auf europäischer Ebene wurde die Zeitumstellung seit den frühen 1980er-Jahren schrittweise vereinheitlicht – die aktuellen harmonisierten Stichtage für den Wechsel von Winter- auf Sommerzeit und zurück gelten seit 1998. In der Zwischenzeit hat sich auch die Begründung der Maßnahme geändert: „Unkoordinierte Zeitumstellungen zwischen den Mitgliedstaaten wären für den Binnenmarkt schädlich, denn sie würden zu höheren Kosten für den grenzüberschreitenden Handel, zu Unannehmlichkeiten im Verkehr, bei der Kommunikation und bei Reisen sowie zu einer geringeren Produktivität bei Gütern und Dienstleistungen führen“, heißt es seitens der EU-Kommission.

2. Was spricht für die Beibehaltung der Sommerzeit?

Aufgrund der Sommerzeit überschneidet sich ein größerer Teil der menschlichen Wachphase mit der Tageslichtphase – was Freizeitaktivitäten am Abend begünstigt und im Tourismus und in der Gastronomiebranche für zusätzliche Einnahmen sorgen soll. Die Tatsache, dass die Autofahrer abends noch mit ausreichend Licht unterwegs sein können, sorgt laut den Befürwortern der Sommerzeit für mehr Verkehrssicherheit.

3. Wie argumentieren die Gegner der Zeitumstellung?

Zunächst einmal verweisen sie darauf, dass die Zeitumstellung keine Ersparnisse beim Stromverbrauch mit sich bringt – die angeblichen Effekte konnten in Studien nicht bzw. nur im Promillebereich nachgewiesen werden. Relativ gut erforscht sind hingegen die negativen Auswirkungen des „Mini-Jetlags“ im Frühjahr und Herbst, der mit der Zeitumstellung einhergeht. Vor allem der Umstieg auf die Sommerzeit gilt als problematisch, weil er im Regelfall die Schlafdauer verkürzt (die Uhren werden in der Nacht vorgestellt) und laut Forschern für größeres Unfallrisiko im Straßenverkehr und höhere Herzinfarktraten sorgt. Laut eines Berichts der Med-Uni Wien aus dem Jahr 2017 kostet der Wechsel auf Sommerzeit Kinder und Jugendliche effektiv 32 Minuten Schlaf. Dieses Minus kann sich über zwei Wochen hinziehen.

Die Veränderung des Biorhythmus wirkt sich auch in der Landwirtschaft auf Nutztiere aus – wobei die Kommission argumentiert, dass sinkende Erträge im Zuge der Zeitumstellung durch „Einführung neuer Ausrüstungen, künstliche Beleuchtung und Automatisierungstechnologien“ kein Thema mehr seien.

4. Ist mit der öffentlichen Konsultation das letzte Wort gesprochen?

Nein. Das Ergebnis der Befragung ist nicht bindend. Über ein Ende der Zeitumstellung müssen das Europaparlament und die EU-Mitglieder befinden – sobald die Kommission eine entsprechende Gesetzesinitiative lanciert. Die Brüsseler Behörde hat sich jedenfalls zur Bewertung von zwei Alternativen verpflichtet: der Beibehaltung der bisherigen Sommerzeitregelung auf der einen und der Abschaffung der Zeitumstellung auf der anderen Seite.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.08.2018)

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