Überlebender Lastwagenfahrer von Genua: "Wollte versuchen, der Hölle zu entkommen"

Genua
GenuaAPA/AFP/VALERY HACHE
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Das Bild des grünen Lastwagens auf der eingestürzten Brücke in Genua ging um die Welt. Der Fahrer schildert den Schockmoment. Vize-Premier di Maio droht mit Verstaatlichung der Autobahnen.

Nach dem Einsturz der Autobahnbrücke in Genua mit Dutzenden Todesopfern ging dieses Bild um die Welt: Nur wenige Meter vor dem Abgrund steht ein grüner Lastwagen und sieht seltsam unbeschadet aus. Der Fahrer des Lkw kann es selbst kaum fassen, dass er das Unglück vom Dienstag überlebte, wie er der Zeitung "Corriere della Sera" erzählte.

Zum Zeitpunkt des Einsturzes habe es ein Unwetter gegeben, sagte der 37-jährige Genuese. "Es regnete, es regnete sehr, und schnell fahren war nicht möglich. Als mich ein Auto überholte, habe ich verlangsamt, denn es war unmöglich bei diesem Regen zu bremsen, man sah nicht viel", sagte der noch unter Schock stehende Fahrer.

Dann habe plötzlich alles gewackelt. "Das Auto vor mir ist verschwunden. Die Wolken schienen es verschluckt zu haben", berichtete der Fahrer des grünen Lastwagens, dessen Name in dem Bericht nicht genannt wurde. Als er aufgeblickt habe, habe er den Brückenabschnitt vor ihm einstürzen sehen. "Als ich mich vor der Leere befand, habe ich instinktiv den Rückwärtsgang eingelegt, als wollte ich versuchen, dieser Hölle zu entkommen." Wie viele Meter er zurücksetzte, konnte der Mann nicht sagen.

Der marokkanische Lastwagenfahrer Afifi Idriss befand sich dahinter. "Ich habe gesehen, wie der grüne Laster anhielt und rückwärts fuhr. Ich habe angehalten, den Lkw zugemacht, und dann bin ich weggelaufen", sagte der 39-Jährige der Nachrichtenagentur AFP.

Helfer suchen weiter nach Vermissten

Am Mittwochabend stand der grüne Laster noch immer vor dem Abgrund. Weiter unten suchten hunderte Helfer inmitten von Beton- und Eisentrümmern nach Überlebenden des Unglücks vom Dienstag, bei dem mehr als 30 Fahrzeuge in die Tiefe stürzten und mindestens 38 Menschen starben.

16 Menschen wurden verletzt, neun schweben nach wie vor in Lebensgefahr.  Es gibt noch mehrere Vermisste. Unter den Toten sind drei Kinder im Alter zwischen acht und 13 Jahren sowie vier junge Franzosen, drei Chilenen und ein Kolumbianer.

Kritik an Autobahn-Betreiber

Das Unglück hat auch eine politische Debatte ausgelöst. Italiens Vize-Ministerpräsident Luigi di Maio drohte am Donnerstag mit einer Verstaatlichung der Autobahnen. Wenn die Betreiber nicht in der Lage seien, ihre Aufgabe richtig zu erfüllen, dann müsse der Staat die Autobahnen übernehmen, sagte di Maio am Donnerstag im Rundfunk.

Die Betreiber der Autobahnen hätten mehr in die Sicherheit investieren sollen als sich über die Dividenden Gedanken zu machen, sagte di Maio. Die italienische Regierung machte bereits am Vortag den Autobahn-Betreiber für den Brückeneinsturz verantwortlich und will ihm die Lizenz entziehen. Das Unternehmen habe Milliarden Euro an Maut eingenommen, das Geld aber nicht wie vorgesehen eingesetzt, kritisierte Innenminister Matteo Salvini. Die Firma Autostrade wies den Vorwurf zurück. Die aus den 1960er-Jahren stammende Brücke sei gemäß den gesetzlichen Vorgaben alle drei Monate kontrolliert worden, erklärte das Unternehmen.

Die vierspurige Morandi-Brücke im Westen von Genua war am Dienstag auf einer Strecke von mehr als 200 Metern eingestürzt. Lastwagen und Autos fielen etwa 45 Meter in die Tiefe und wurden teils unter Betontrümmern begraben. Die italienische Regierung verhängte am Mittwoch einen zwölfmonatigen Ausnahmezustand in der Hafenstadt.

(APA/dpa/AFP)

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