Bericht über Attacke auf jüdisches Restaurant in Chemnitz

Die Polizei war auch Freitagabend bei mehreren Kundgebungen in Chemnitz gefordert.
Die Polizei war auch Freitagabend bei mehreren Kundgebungen in Chemnitz gefordert.APA/AFP/JOHN MACDOUGALL
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Am Rande der rechtsextremen Proteste vom 27. August soll ein Mob ein jüdisches Lokal angegriffen haben. Freitagabend fanden erneut rechte Demonstrationen statt, aber auch ein Klassik-Konzert gegen Fremdenhass.

Was sich am Abend des 27. August genau in Chemnitz abspielte, darüber sind sich nicht einmal Politik und Verfassungsschutz einig. In der "Welt am Sonntag" gibt es nun eine neue Meldung über einen antisemitischen Angriff auf ein Lokal. Am Rande der Proteste nach dem tödlichen Messerangriff von Chemnitz sei demnach das koschere Restaurant "Schalom" von etwa einem Dutzend schwarz gekleideter Vermummter angegriffen worden.

Die Angreifer hätten "Hau ab aus Deutschland, Du Judensau" gerufen und das Lokal mit Steinen, Flaschen und einem abgesägten Stahlrohr beworfen. Der Eigentümer sei an der Schulter getroffen und verletzt worden, eine Fensterscheibe zu Bruch gegangen und die Fassade beschädigt worden.

Das Landeskriminalamt habe eine entsprechende Anzeige des Wirts bestätigt. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte dem Blatt, dass in dem Fall "derzeit eine politisch motivierte Tat mit einem antisemitischen Hintergrund naheliege". Die Ermittlungen seien allerdings noch nicht abgeschlossen.

Der Beauftragte gegen Antisemitismus der Bundesregierung, Felix Klein, zeigte sich alarmiert. "Sollten die Berichte zutreffen, haben wir es mit dem Überfall auf das jüdische Restaurant in Chemnitz mit einer neuen Qualität antisemitischer Straftaten zu tun. Hier werden die schlimmsten Erinnerungen an die dreißiger Jahre wachgerufen", sagte er der Zeitung. Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat dem Bericht zufolge mit dem Betreiber, einem alteingesessenen Chemnitzer, telefoniert.

Wieder Demonstrationen in Chemnitz

Am Freitag haben in der sächsischen Stadt erneut mehrere tausend Menschen demonstriert. Vom Karl-Marx-Monument aus zogen am Freitagabend nach Angaben von Stadt und Polizei rund 2500 Teilnehmer eines Protestzugs der rechtspopulistischen Bewegung Pro Chemnitz durch die Innenstadt. Ihnen gegenüber standen demnach rund tausend Gegendemonstranten. Chemnitzer Musiker gaben fast zeitgleich vor mehreren tausend Besuchern ein Open-Air-Klassikkonzert gegen Fremdenhass und Gewalt.

Um die Veranstaltungen abzusichern, war die Polizei erneut mit verstärkten Kräften im Einsatz. Unterstützt wurden die sächsischen Beamten von der Bundespolizei und Kollegen aus anderen Bundesländern. Bis zum frühen Abend blieb die Lage in der Stadt nach Angaben einer Polizeisprecherin ruhig.

Nach der Tötung eines 35-Jährigen in Chemnitz vor fast zwei Wochen hatte es dort in den vergangenen Tagen bereits mehrfach Kundgebungen auch rechter Gruppen gegeben, die teilweise in Ausschreitungen mündeten. Dabei wurden auch Ausländer und Journalisten angegriffen. Zwei mutmaßlich aus Syrien und dem Irak stammende Männer sitzen wegen des Tötungsdelikts in Untersuchungshaft. Nach einem dritten Tatverdächtigen wird gefahndet.

Immer wieder Kundgebungen

Die rechtspopulistische Initiative Pro Chemnitz hatte seitdem bereits mehrfach zu Kundgebungen aufgerufen. Die Demonstranten zogen am Freitagabend erneut durch die Innenstadt und riefen unter anderem "Merkel muss weg" und "Wir sind das Volk". Der Protestzug der Gegendemonstranten stand unter dem Motto "Wir bleiben - antifaschistisch aktiv". Zu dem Gegenprotest aufgerufen hatte unter anderem die antifaschistische Initiative "Chemnitz nazifrei".

Chemnitzer Künstler hatten zudem ein Open-Air-Konzert auf dem Theaterplatz der Stadt unter dem Motto "Kultur für Offenheit und Vielfalt" initiiert. Musiker der Chemnitzer Oper und anderer Institutionen spielten die neunte Sinfonie von Ludwig van Beethoven. Die Künstler erklärten im Vorfeld, sie wollten damit "den Tendenzen zu Fremdenfeindlichkeit, Hetze und Gewalt konsequent entgegentreten".

(APA/AFP/dpa)

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